Weinwissen Was beim Spaziergang durchs Rebenmeer zu entdecken ist

Blick auf die Weinberge mit Weingenuss im „Dubbe-Schobbe“.
Blick auf die Weinberge mit Weingenuss im »Dubbe-Schobbe«.

Ob Rosen, Ruten oder Rebschnitt: Wer mit offenen Augen durch die Weinberge wandert, kann viel erkennen – das entsprechende Wissen vorausgesetzt. Weinexperte Matthias F. Mangold gibt Tipps – auch für Touren und passende Weine.

Veranstaltet selbst Weinbergswanderungen: Matthias F. Mangold.
Veranstaltet selbst Weinbergswanderungen: Matthias F. Mangold.

Rosenstöcke am Zeilenende? Was der Zierde und dem Anlocken von Insekten dient, hatte früher wirtschaftliche Gründe: „Einerseits signalisieren Rosen als Zeigerpflanzen Mehltaubefall früher als die Rebe selbst. Andererseits sollten sie verhindern, dass Zugtiere beim Austritt aus der Reihe den letzten Rebstock umrissen. Aua. Als Lerneffekt sozusagen“, weiß Wein- und Genussexperte Matthias F. Mangold aus Venningen.

 Besonderer Hintergrund: Rosen im Wingert.
Besonderer Hintergrund: Rosen im Wingert.

Wer mit offenen Augen durch die Weinberge spaziert, kann noch mehr Überraschendes entdecken: Namensschilder zum Beispiel. „Weingüter, die stolz auf ihre Weinberge sind, haben diese damit versehen“, erklärt Mangold, der allerdings feststellt: „Man sieht nur, was man weiß oder kennt.“ Der Chefredakteur des Weinführers „Vinum“ ist mit seiner „Genusstour“ in Venningen einer von mehreren Anbietern in der Pfalz, die bei Gruppenausflügen Wissenslücken füllen. Aber auch für alle, die auf eigene Faust losspazieren, hat er Tipps auf Lager, die den Blick für interessante Phänomene schärfen: „Im Frühsommer sprießt alles wie verrückt“, erzählt er. „Wer eine Bank fürs Picknick findet, kann dem Laub buchstäblich beim Wachsen zusehen. Die jungen Zweige schießen bis zu sieben Zentimeter am Tag hoch!“

Blick nach unten lohnt

Allerdings sei der Blick nach unten oft lohnender, „denn da lassen sich mehr Erkenntnisse über die Grundeinstellung des Weinguts erzielen.“ Ist der Bereich um die Weinstöcke herum komplett frei und erscheint das Gras dort verdorrt, kam laut Mangold aller Wahrscheinlichkeit nach Unkrautvernichtungsmittel zum Einsatz, zumeist Glyphosat. „Es soll Konkurrenz von der Rebe fernhalten, vor allem ums Wasser.“

Auch die Arbeit im Weinberg lässt sich beim Spaziergang beobachten.
Auch die Arbeit im Weinberg lässt sich beim Spaziergang beobachten.

Ein umweltschonenderer Ansatz ist es seinen Worten zufolge, bewusst andere Pflanzen zuzulassen und diese sogar auszusäen. „Heute weiß man, dass eine solche Vielfalt Nutzinsekten anlockt, die ihrerseits wieder Schadinsekten auffressen. Die Einsaat durchwurzelt den Boden besser, was bei Regen das Wasser einsickern lässt, anstatt es abzuschwemmen. Und beim Vergehen der Pflanzen wird der Boden auf natürliche Weise wieder gedüngt – ein natürlicher Kreislauf“, erörtert er und findet dafür einen originellen Vergleich: Luthers Spruch „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“ lasse sich auf den Wein übertragen: „Ein totgespritzter Weinberg wird keinen lebendigen Wein hervorbringen.“

Gepflegt ist meist nicht naturfreundlich

Ein weiteres Beispiel ist ein aufgeräumter Wingert: Das Gras schön kurz gehalten, die Laubwand penibel geschnitten, die Triebe nach oben gegipfelt, knapp über dem Drahtrahmen abgeschnitten. „Man glaubt ja bei uns oft – es gilt als typisch Deutsch –, dass der dem Anschein nach gepflegteste Weinberg der beste sei“, sagt Mangold. „Inzwischen arbeiten jedoch die meisten der besseren Betriebe nach ökologischen oder gar biodynamischen Richtlinien und haben ganz andere Ansätze. Da sieht es zwischen den Zeilen mitunter aus wie Kraut und Rüben. Hoch schießende Pflanzen dazwischen werden vielfach nicht mehr gemulcht, sondern gewalzt. Das macht aus ökologischer Sicht durchaus Sinn.“

Schon jetzt Herbst und Winter im Blick

Wer im Herbst durch Wingerte wandert, kann beispielsweise den Unterschied zwischen Handlese oder Durchfahrt mit dem Vollernter erkennen: „Bei Letzterem hängen nur noch die Stielgerüste an den Rebstöcken, die Beeren an sich wurden in die Auffangbehälter gerüttelt.“ Der Einsatz eines Vollernters sei kein Indiz für geringere Qualitäten. „Wer als Winzer auf sich hält, macht in der Regel tags zuvor eine negative Vorlese und schneidet alles heraus, was er nicht haben möchte“, so der Fachmann. Im Idealfall könne er dann die Kühle des Morgens nutzen, um den Rest holen zu lassen. Top-Weingüter geben der Hand-Auge-Koordination eines geübten Leseteams allerdings dennoch den Vorzug.

Übrigens werden schon im Winter grundlegende Weichen gestellt, ob ein Winzer auf Qualität oder auf Quantität setzt. Es ist die Zeit des Rebschnitts, wenn die alten, im Vorjahr die Hauptlast tragenden und nun verholzten Triebe abgeschnitten werden. Stehen bleiben einjährige Triebe, möglichst nahe am Stammkopf. Ist es nur einer und der möglichst kurz, so deutet das auf einen Betrieb hin, der Großes vorhat. Sind es zwei oder gar drei und noch dazu lange, soll dieser Weinberg wohl für etwas mehr Menge sorgen.

Knospen im Frühjahr sind Boten der Weinqualität

„Schauen Sie mal genau hin: An den im Frühjahr dann an das Drahtgeflecht gebundenen Bögen befinden sich Knospen, man nennt sie Augen, und aus denen kommen die neuen Triebe heraus, die ihrerseits in der Regel später zwei Trauben tragen. Viele Augen ergeben viele Triebe mit vielen Trauben.

Nennt man Auge: Knospe an den Reben.
Nennt man Auge: Knospe an den Reben.

Die Rebwurzel mit den Nährstoffen und die Laubwand mit der Photosynthese müssen dabei ganz viele Empfänger versorgen. Am Ende bekommt jeder wenig. Oder eben, bei kürzeren Ruten, viel. Macht sich später beim Geschmack bemerkbar.“ Nur solle man sich immer vor Augen führen, betont Mangold, dass nicht jeder Wein ein Superwein werden müsse. „Es darf auch Schorleweine oder einfacher gestrickte Tropfen für jeden Tag geben.“

Weinbergstouren und passende Weintipps

Hainfeld/Weyher: Vom Parkplatz am Weingut Bernhard Koch kommend geht es dort vorbei an den Bach hinunter und in Richtung Rhodt hinüber zum Weißen Kreuz. Kurz danach führt ein Weg links hoch nach Weyher. Von hier folgt man der Straße in Richtung Modenbachtal. Am Parkplatz Ortsende geht es links zur Michelsberg-Kapelle. Ein Weg südlich davon führt am Aussichtsplatz Altenforst mit dem Hinweis auf das ausgeprägte Schiefergestein vorbei zurück ins Tal. Gesamtstrecke ca. 5 km.

Unterwegs schmeckt passend dazu ein 2023 Burrweiler Altenforst Riesling trocken, Schiefer der Steillage Goldkapsel, Weingut Rudi Möwes, Weyher (12,50 Euro). „Die Lage Altenforst und der Burrweiler Schäwer sind die einzigen wirklich nennenswerten Schieferlagen in der Pfalz“, erörtert Experte Matthias F. Mangold. „Michael Möwes macht aus seiner Steillage, die sich direkt am Aussichtspunkt befindet, einen sehr kristallinen, pfeilgeraden Wein, der würzig ist und sich enorm differenziert im Mund zeigt.“

Birkweiler: Von der alten Dorfschule über die Orensfels- und die Trifelsstraße geht es beständig den Berg hinauf. An der Weggabelung kurz vor der Kirche kann man rechts zwischen den Rebzeilen einen Stich hoch laufen und erreicht den geteerten Wirtschaftsweg. Diesem folgt man und orientiert sich für die weitere Strecke am Weinwanderweg „Weinbruch Kastanienbusch“. Tafeln erläutern Geologie, Geschichte und Ökologie und deren Auswirkungen auf den Wein. Gesamtstrecke ca. 4,5 km.

Weinempfehlung: 2023 Birkweiler Mandelberg Weißburgunder trocken vom Muschelkalk (9,50 Euro): „Mathias Kleinmann hat sich nahezu völlig den Burgundersorten verschrieben, und diese lieben kalkige Böden, von denen der Mandelberg geprägt ist. Der Wein ist außerordentlich saftig und hat dennoch einen guten Zug am Gaumen. Die leicht melonige Frucht kann nicht geleugnet werden, wird aber nicht vordergründig ausgespielt. Der Schmelz macht den Wein extrem süffig.“

Forst: Vom kleinen Parkplatz am nördlichen Ende von Forst Richtung Wachenheim geht eine bequeme Straße zwischen den Lagen Jesuitengarten (links) und Pechstein (rechts) hinauf in Richtung Wald. Nun ist man im Musenhang und wendet sich nach Süden, wo der Weg beständig am oberen Rand der Lage Ungeheuer entlang führt. Der Besucher kann je nach Laune und Kondition unterschiedliche Runden laufen. Gesamtstrecke 3-5 km.

Weinempfehlung: 2023 Forster Riesling trocken, Weingut Acham-Magin, Forst (11 Euro). „Anna-Barbara Acham betreibt ein Weingut mit Weinstube. Ihre Weine drücken die Gegebenheiten der Lagen aus. Als Einstieg ist der Forster Ortsriesling hervorragend, frisch, harmonisch und mit einer gewissen Spannung dank der Mineralität der Böden.“

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An dieser Stelle finden Sie Umfragen von Opinary.

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