Rheinland-Pfalz „Ausermittelt“

3000 ausgewertete Fotos, 800 Spurenakten: Die Unterlagen zum Fall Gräff füllen zwei Regale.
3000 ausgewertete Fotos, 800 Spurenakten: Die Unterlagen zum Fall Gräff füllen zwei Regale.

«Trier.» 30 Minuten dauert es, bis Triers Leitender Oberstaatsanwalt Peter Fritzen fertig ist. Eine halbe Stunde erklärt er rund 30 Journalisten die Hintergründe des Falls Tanja Gräff und warum die Ermittlungen vor einer Woche eingestellt wurden. Noch einmal geht er auf die Geschichte des Falls ein (siehe: Zur Sache), aber letztlich habe es keine belastbaren Hinweise gegeben, dass die junge Frau, die spurlos nach einem Studentenfest verschwunden war, Opfer eines Verbrechens geworden sei. Mit „hoher Wahrscheinlichkeit“, so liest es Fritzen aus seinem mehrseitigen vorbereiteten Statement vor, sei die damals 21-Jährige den Felsen hinabgestürzt. Ein Unfall, sagt der Staatsanwalt. Als Beleg ihrer umfangreichen Arbeit haben die Ermittler alle Akten und Ordner zu dem Verfahren für die Pressekonferenz zusammengetragen. Es sind zwei Regale voll. 3000 Fotos wurden ausgewertet, 2000 Hinweise verfolgt und 800 Spurenakten angelegt. Die Ermittler hätten unter anderem bundesweit Vergleichsfälle untersucht und alle Taxifahrer befragt, die in der besagten Sommernacht in Trier im Einsatz waren. Alles ohne Erfolg. Es gebe keine Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen. Alles sei „ausermittelt“, gibt Fritzen zu Protokoll. Gräff starb wohl an einer Arterienverletzung im Bereich der Halswirbelsäule. Das hatte ein rechtsmedizinisches Gutachten ergeben. Neu ist, dass die Ermittler eine weitere Expertise in Auftrag gegeben hatten. Eine Psychologin sei zu dem Schluss gekommen, dass Gräff an besagtem Abend offenbar angetrunken war. Weil mit einem jungen Mann nicht alles so lief, wie sie sich das vorgestellt habe, sei die Studentin in einem labilen Zustand gewesen, vielleicht gekränkt und auf der Suche nach einem Platz, an dem sie allein sein konnte. Vermutlich machte sie sich deshalb auf den verhängnisvollen Weg zu dem mit einem Zaun abgesperrten Felsvorsprung. Durch ihre Alkoholisierung habe sie möglicherweise die Gefahr unterschätzt und sei den Felsen hinabgestürzt. Aus Sicht der Ermittler liegen keine Hinweise auf Fremdverschulden vor. Zudem schließen sie sowohl ein Gewalt- als auch ein Sexualdelikt aus. Offen bleibe, so Fritzen, warum Gräff zur Unglücksstelle gelaufen sei und wie es zu dem Absturz gekommen sei. Das psychologische Gutachten sei kein Beweis, sondern nur eine mögliche Erklärung. Der Anwalt von Gräffs Mutter, Detlef Böhm, bezeichnete die Einstellung des Verfahrens als „nicht nachvollziehbar“. Er hätte sich gewünscht, dass stärker in Richtung Verbrechen und nicht nur in Richtung Unfall ermittelt worden wäre, nachdem die sterblichen Überreste der Studentin gefunden worden waren. Er sieht durchaus weitere Ermittlungsansätze. So sei beispielsweise ein Ohrring Gräffs verschwunden, und neben ihrem Skelett habe ein Zigarettenetui gelegen, von dem unklar sei, wem es gehöre. Das psychologische Gutachten bezeichnet Böhm als „reine Spekulation“. Gräff sei charakterlich gefestigt gewesen. Er könne sich nicht vorstellen, dass sie an besagtem Abend labil reagiert habe. Für ihre Mutter sei es schwierig, in dieser Ungewissheit einen Schlussstrich zu ziehen. KOMMENTAR

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