Leitartikel Afrika entgleitet den USA

Chinesische Spitzenpolitiker – hier Außenminister Wang Yi – sind viel präsenter in der Beziehungspflege mit Afrika als amerikani
Chinesische Spitzenpolitiker – hier Außenminister Wang Yi – sind viel präsenter in der Beziehungspflege mit Afrika als amerikanische.

Unter Präsident Biden wollten die USA in Afrika den Einfluss Chinas und Russlands zurückdrängen. Doch in vielen Ländern sind mittlerweile Militärs und keine Demokraten an der Macht. Ein schlechtes Zeichen.

Der Drohnenstützpunkt der US-Armee in Niger ist der wichtigste und zugleich letzte verbliebene Pfeiler des „Westens“ für den Kampf gegen islamistische Terrorgruppen, die sich in der Sahara und im weiter südlich gelegenen Sahelgürtel ausbreiten. Doch bald könnte auch dieser Stützpfeiler verloren sein. Was den Franzosen schon in Mali passiert ist, wiederholt sich nun in Niger: Die Franzosen als ehemalige Kolonialmacht mussten ihre Truppen abziehen. Und nachdem die USA recht deutlich gegen die Ankunft von rund 100 russischen Soldaten (darunter Wagner-Söldner) in Niger gewettert hatten, wendeten sich die nigrischen Putschgeneräle auch gegen Washington.

Die ambitionierte Afrika-Strategie der Regierung von US-Präsident Joe Biden ist dabei zu kollabieren. Dabei sollte es doch – nach den verlorenen Jahren unter Bidens Amtsvorgänger Donald Trump, der Afrika außer wüsten Beleidigungen („Scheißloch-Länder“) wenig Beachtung schenkte – eigentlich einen Neuanfang geben. Die US-Amerikaner wollten sich daran machen – so wie auch die Europäer –, den gewaltig gestiegenen Einfluss Chinas auf dem Kontinent zurückzudrängen. Den zunehmenden Avancen aus Russland plante „der Westen“, angeführt von den USA, ebenfalls etwas entgegenzusetzen.

Gipfel in Washington

Bereits vor dem USA-Afrika-Gipfel im Jahr 2022, immerhin dem ersten seit acht Jahren, schnürte Biden ein 55-Milliarden-Dollar-Paket zur Unterstützung der afrikanischen Wirtschaft. Die USA würden in Afrika „aufs Ganze“ gehen, versprach Biden den fast vollständig angereisten Präsidenten des Kontinents in Washington. Die Demokratie in Afrika solle wiedererstarken.

Nur zwei Jahre später ist klar, dass die Demokratie in den Militärdiktaturen Mali oder Burkina Faso ausgehebelt ist. Militärputsche in Niger und Gabun kamen hinzu, im Sudan tobt ein Bürgerkrieg mit Millionen Flüchtlingen. Schaut man sich die Landkarte an, so sieht man vom Atlantik bis zum Roten Meer einen Gürtel von Ländern, in denen nunmehr Militärs das Sagen haben.

Chinesen sind schon da

Vorbei sind zudem die Zeiten, als die afrikanischen Staaten von einem Rohstoffboom profitieren konnten: Das afrikanische Wirtschaftswachstum ist eingebrochen. Parallel dazu hat sich China zur einflussreichsten Macht auf dem Schwarzen Kontinent entwickelt. Zwar schlossen auch die USA in der jüngeren Vergangenheit neue Handels- und Investitionsvereinbarungen mit afrikanischen Ländern. Doch an das Volumen der Abkommen, die China im Rahmen seiner Neuen-Seidenstraße-Initiative schloss, kommen die amerikanischen Verträge nicht heran – auch wenn Peking inzwischen viel zögerlicher agiert.

Unterm Strich ist der Einfluss der USA auf dem afrikanischen Kontinent in der Biden-Präsidentschaft geschrumpft. Zwar scheint ihr größtes Truppenkontingent in Afrika mit 4000 US-Soldaten in Dschibuti am wichtigen Standort am Horn von Afrika nicht gefährdet zu sein. Doch neben Russland hofft inzwischen auch der Iran auf eine afrikanische Militärbasis am Roten Meer – beide könnten so eine der wichtigsten Handelsrouten weltweit (mit-)kontrollieren. Das bereits in Dschibuti vertretene China ist weiter westlich bereits auf der Suche nach seiner ersten Basis an der Atlantikküste.

Als Signal an die Afrikaner, dass sie trotz allem wichtig für die USA sind, hat Biden seinen Außenminister und sogar seine Frau Jill nach Afrika entsandt. Doch unvergessen ist das Versprechen des Präsidenten, das er beim Afrikagipfel in Washington abgegeben hatte: Er selbst werde bis Ende 2023 in ein afrikanisches Land reisen. Der Besuch steht bis heute aus.

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