Meinung Bündnis Sahra Wagenknecht: Sahras Gretchenfrage
Opposition kann herrlich sein. Man kann unfinanzierbare Forderungen aufstellen und sich zum Anwalt der Menschen gegen „die da oben“ aufschwingen. Man muss nie zeigen, ob man es besser kann. Sahra Wagenknecht hat viele Jahre Erfahrung in diesem Job – und er hat ihr immer sehr gut gefallen.
Die Fünf-Prozent-Hürde ist für Sahra Wagenknecht bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kein Thema. Sie kann mit ihrer neuen Partei weit höher springen. Wagenknecht könnte in Sachsen und vor allem Thüringen die Rolle der Königsmacherin zukommen. Es ist möglich, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) für eine Regierungsbildung jenseits der AfD notwendigerweise gebraucht wird.
Die Regierungsbildung wird in beiden Ländern kompliziert
In einer aktuellen Umfrage von Forsa liegt das BSW in beiden Ländern auf Platz drei, in Sachsen mit 13, in Thüringen mit 18 Prozent. Da jeweils 30 Prozent an die AfD gehen, sieht es danach aus, dass die CDU vor allem in Thüringen auf das BSW als Partner angewiesen sein könnte. In Sachsen erscheint auch noch eine Mehrheit für die bisherige Koalition aus CDU, Grünen und SPD möglich. Wie immer die Wahlen genau ausgehen: Die Regierungsbildung in beiden Ländern wird anstrengend und kompliziert.
Wagenknecht selbst kandidiert weder in Thüringen noch in Sachsen. Die BSW-Spitzenkandidatin in Thüringen, Katja Wolf, war nicht nur lange Oberbürgermeisterin von Eisenach. Sie gilt auch als eine, die einen eigenen Kopf hat. Auch andere im BSW werden für sich austarieren müssen, wie unabhängig von Wagenknecht sie entscheiden wollen.
Mit Landespolitik hat das Raketen-Thema nichts zu tun
Wagenknecht fordert vor den Landtagswahlen als Bedingung für eine Koalition mit ihrer neuen Partei eine Ablehnung der Pläne, dass die USA neue Mittelstreckenraketen in Deutschland stationieren. Mit Landespolitik hat das Thema nichts zu tun. Schon in der Linken war Wagenknecht eine, die sagte, ihre Partei wolle selbstverständlich regieren – und die von SPD und Grünen dann stets so viel verlangte, dass ein Bündnis nie realistisch war.
Viel spricht dafür, dass Wagenknecht mit ihrer neuen Partei gern mit dem bedingungslosen Oppositionskurs weitermachen würde, für den sie schon bei der Linken stand. Jetzt in Sachsen oder Thüringen mitzuregieren, würde bedeuten: Das Bündnis Sahra Wagenknecht muss Kompromisse eingehen. Die Bürger könnten die neue Partei dabei beobachten, wie schwer es oft ist, in der Regierung tatsächlich etwas zu bewegen. Für Wagenknecht ist es also von doppeltem Vorteil, wenn sie Koalitionen an eine Ablehnung der Stationierung von US-Raketen in Deutschland knüpft. Erstens kann sie damit auf zusätzliche Stimmen bei den Landtagswahlen hoffen. Zweitens stellt sie eine nahezu unannehmbare Bedingung für CDU und SPD auf. Grotesk ist Wagenknechts Vorgehen deshalb, weil im Landtag gar nicht über Außenpolitik entschieden wird.
Es liegt also die Frage nahe, ob Wagenknecht sich mit ihrer neuen Partei durch die Vorbedingungen vor einer möglichen Regierungsverantwortung drücken will. Das wäre verantwortungslos. Möglicherweise können ohne das BSW jenseits der AfD keine Mehrheitsregierungen gebildet werden. Für die 55-Jährige mögen die Wahlen in Sachsen und Thüringen nur Durchgangsstationen auf dem Weg zu ihrer Kampagne für die Bundestagswahl im kommenden Jahr sein. Die Menschen in diesen Ländern dürfen aber erwarten, dass alle im Landtag bereit sind, die Probleme zu lösen, für die ein Landtag zuständig ist. Da gibt es – etwa für bessere Schulen – mehr als genug zu tun.