Meinung Bürgergeld-Sanktionen: Mehr Druck allein hilft nicht

Wer Bürgergeld bezieht, muss sich an spezielle Regeln halten, so will es das Gesetz.
Wer Bürgergeld bezieht, muss sich an spezielle Regeln halten, so will es das Gesetz.

Mit mehr Druck allein wird Deutschland nicht Hunderttausende Bezieher von Bürgergeld in Arbeitsverhältnisse bringen. Wer diesen Eindruck erweckt, greift zur Täuschung – oder er kennt keine Langzeitarbeitslosen.

Die Geschichte des Bürgergelds könnte irgendwann den Titel tragen „1001 Änderungen“. Jedenfalls haben Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine weitere Reform der Reform der einstigen Hartz-IV-Gesetze vereinbart. Manches davon ist sinnvoll – wie der verstärkte Kampf gegen Schwarzarbeit. Anderes ist eben nicht sinnvoll.

Es wäre wichtig, genau zuzuhören, was die Mitarbeiter in den Jobcentern zu sagen haben. Ihre Aufgabe ist es, Menschen in Arbeit zu bringen – möglichst langfristig. Sie haben viel Erfahrung, welche Maßnahmen dabei helfen und welche nicht.

Regeln für Totalverweigerer verschärft

Viele Jobcenter-Mitarbeiter waren indes unglücklich darüber, dass mit dem neuen Bürgergeld die Sanktionsmöglichkeiten gegen Arbeitsunwillige ursprünglich vermindert wurden. Mittlerweile hat die Ampel die Regeln für Totalverweigerer allerdings wieder erheblich verschärft. Jetzt, so der Plan, soll vor der Roten Karte die Gelbe konsequenter gezückt werden.

Das ist gut so, denn das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen. Wer Geld vom Steuerzahler bekommt, ist verpflichtet, sich an die damit verbundenen Regeln zu halten. Die meisten Betroffenen verhalten sich aber auch entsprechend.

Nur wenig Begeisterung dürfte in den Jobcentern darüber aufkommen, dass den neuen Regeln zufolge viele Betroffene dort bald häufiger vorbeikommen sollen. Schließlich fehlt es in den Jobcentern schlicht an Personal. Niemandem aber hilft es, wenn die Menschen sich zwar häufiger melden müssen, dafür jedoch weniger Ressourcen für die Einzelfallbetreuung vorhanden sind. Die Bundesregierung muss einmal mehr aufpassen, dass sie keine zusätzliche Bürokratie schafft.

Drei Stunden Arbeitsweg wenig praxistauglich

Wenig praxistauglich ist auch der Plan, dass künftig bis zu drei Stunden Arbeitsweg am Tag zumutbar sein sollen. Der Wunsch, in einer aufgeheizten Debatte ein politisches Symbol zu setzen, ist verständlich. Es gibt schließlich unter den Steuern zahlenden Bürgern viele, die selbst lange Arbeitswege haben. Dennoch stellt sich die Frage, um wie viele Langzeitarbeitslose es bei diesem Punkt wirklich gehen wird. Und ob die Anzahl an Streitigkeiten, die in Verfahren vor den Sozialgerichten münden, am Ende nicht höher liegt als die Anzahl erfolgreiche Vermittlungen in Arbeit.

Die Debatte über die Grundsicherung in Deutschland leidet oft unter Realitätsferne – und das schon lange Zeit. Hartz IV hatte bei vielen Menschen einen schlechten Ruf, weil der Staat hier Menschen angeblich zu schlecht behandelte. In der Bürgergelddebatte wiederum wird ständig unterstellt, in Deutschland werde Langzeitarbeitslosen alles viel zu leicht gemacht.

Wird bewusst ein falscher Eindruck erweckt?

Beide Male werden Zerrbilder produziert. Die Unterschiede zwischen Hartz IV und Bürgergeld sind überschaubar. Gesucht ist: eine ehrliche Debatte.

Viele von denen, die im Bürgergeld sind, haben „Vermittlungshemmnisse“, wie die Fachleute sagen. Diese Menschen brauchen ein Coaching oder andere begleitende Hilfen. Ehrlicherweise muss man zugeben: Ihre Integration in den Arbeitsmarkt ist für den Staat teuer. Es ist nicht so, als ließen sich einfach mit zusätzlichem Druck mal eben so Hunderttausende Menschen in Arbeit bringen. Politiker aus Union und FDP erwecken hier einen falschen Eindruck. Bewusst?

Umso wichtiger wäre es, dass im Haushalt für das Jahr 2025 genug Geld für eine aktive Arbeitsmarktpolitik vorhanden ist. Sonst werden noch so viele Änderungen beim Bürgergeld nicht helfen.

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