Politik Besorgnis über Teherans Raketenangriff in Syrien

Stolz der Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Irans, Ayatollah Ali Khamenei, unterstellt sind: Bei einer Militärpa
Stolz der Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Irans, Ayatollah Ali Khamenei, unterstellt sind: Bei einer Militärparade in Teheran wird eine Rakete vom Typ Qadr H zur Schau gestellt.

Die Lage in Syrien droht wieder zu eskalieren – diesmal im Süden des Landes. Dort mehren sich die Zusammenstöße zwischen den USA und ihren Alliierten auf der einen Seite und syrischen und iranischen Truppen auf der anderen Seite. Ein Raketeneinsatz durch Irans Revolutionsgarden in Syrien hat besondere Besorgnis ausgelöst. Er wirft ein Schlaglicht auf ein Waffenprogramm, das die Islamische Republik seit Jahren mit Macht vorantreibt.

Gleißendes Licht umgibt die schlanke, 15 Meter lange Rakete, die in den tintenschwarzen Nachthimmel aufsteigt. 450 Kilometer weit fliegt die Waffe der iranischen Revolutionsgarden aus dem Westen Irans über Irak bis nach Syrien. Das offizielle Ziel: ein Lager des „Islamischen Staats“ nahe der ostsyrischen Stadt Deir as-Sur. Es ist das erste Mal seit den 80er Jahren, dass Teheran eine solche Waffe ins Ausland abfeuert. Die iranischen Revolutionsgarden veröffentlichen Videos, sprechen von einem Vergeltungsschlag gegen den „Islamischen Staat“, der offiziell als Drahtzieher der Anschläge vom 7. Juni auf das Parlament von Teheran und das Mausoleum von Staatsgründer Ayatollah Khomeini gilt. Israelische Militärquellen sprechen dagegen von einem missglückten Angriff. Drei der fünf Zulfiqar-Raketen sollen es nicht bis Syrien geschafft haben, sie seien über Irak niedergegangen. Und die zwei, die die Strecke zurücklegten, hätten das offizielle Ziel verfehlt. Dennoch: Es ist eine Machtdemonstration der Islamischen Republik. Sie ist bereit und in der Lage, ihren ohnehin beträchtlichen Einsatz im Syrienkrieg noch zu erhöhen. Es ist eine Warnung nach Washington, an die US-Regierung und den US-Kongress, der gerade neue Sanktionen gegen Iran verhängt hat. Der Vorgang passt auch zu den zunehmenden Gefechten in Syrien, bei denen es US-Militär und iranische Kräfte miteinander zu tun bekommen. Bei At Tanf trainieren US-Spezialeinheiten mit Rebellen, die gegen das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad kämpfen. Iran hilft Assad seit Beginn des 2011 ausgebrochenen Konflikts mit Geld, Waffen und Soldaten. Vergangene Woche schossen die USA eine iranische Drohne ab, die bei At Tanf zum Einsatz gekommen war. Es war der zweite solche Zwischenfall binnen zwei Wochen. Die bewaffnete Drohne des Typs Shaheed-129 UAV habe feindliche Absichten gezeigt und sei auf den Bündnis-Stützpunkt At Tanf zugeflogen, hieß es. Auch mit von Iran unterstützten schiitischen Milizen haben es die US-Truppen in der ostsyrischen Wüste schon zu tun bekommen. Iran ist – daran hat US-Präsident Donald Trump auf seiner Nahostreise keinen Zweifel gelassen – der Hauptgegner der USA und der arabischen Regionalmächte Saudi-Arabien und Ägypten. Iran ist auch das eigentliche Ziel des Bruchs mit dem Emirat Katar, den Riad und Kairo vollzogen haben. Die Furcht vor Iran hat durchaus berechtigte Gründe. Raketen, Drohnen – der Mullah-Staat lässt nicht nach in dem Bemühen, auch nach dem Wiener Abkommen von 2015 zur Beschneidung des iranischen Atomprogramms seine Militärmacht auszubauen. Dabei bedient man sich, wie schon beim Nuklearprogramm, der Hilfe des nordkoreanischen Regimes. Das untermauern Recherchen des Nationalen Widerstandsrats Iran (NWRI). Die oppositionelle Bewegung mit Hauptsitz in Paris stützt sich vor allem auf die Volksmudschahedin, eine lange Jahre militante Gruppierung, die an der iranischen Revolution 1979 mitwirkte, bei Wahlen zweitstärkste Kraft wurde, seit 1981 aber als Staatsfeind Nummer eins des Mullah-Regimes gilt. Bis heute gelingt es dem NWRI, der am Samstag in Paris seine Jahrestagung abhält, geheime Informationen über Iran zu beschaffen und zu veröffentlichen. So auch jetzt: 42 verschiedene Standorte umfasst demnach das iranische Raketenprogramm, das sind zwölf mehr als bisher bekannt waren. Alireza Jafarzadeh, Vizedirektor der US-Vertretung des NWRI, legte am 20. Juni in Washington die aufsehenerregenden Information vor. Im Gespräch mit der RHEINPFALZ betont der Exil-Iraner, das iranische Raketenprogramm und das im Wiener Abkommen von 2015 reglementierte Nuklearprogramm der Mullah-Republik dürften nicht getrennt betrachtet werden. „Hauptziel ist, Raketen zu bauen, die nukleare Sprengköpfe tragen können. Die zweite Absicht dahinter ist, Länder in der Region bedrohen zu können.“ Der Abschuss der Zulfiqar-Raketen sei militärisch gar nicht nötig gewesen, erklärt Jafarzadeh. „Die Revolutionsgarden haben zehntausende Mann am Boden. Es gibt sogar Raketenfabriken in Syrien selbst.“ Bei der Attacke vom 18. Juni sei es darum gegangen, in Irans Bevölkerung für Unterstützung des Militärprogramms zu werben, das umgerechnet viele Milliarden Euro verschlinge. Und es sei ein Signal an die USA gewesen. Die Raketen seien aus einem Arsenal des Stützpunkts Pan Paleh in Kermanshah gewesen, so Jafarzadeh. Wie der NWRI dokumentiert hat, kommen nordkoreanische Experten vor Ort nach Iran, um iranische Militärs zu beraten. Pjöngjang erhalte dafür Geld, so Jafarzadeh. Zudem teilten sich die beiden Staaten Daten aus Testabschüssen. Dass die Zulfiqar-Attacke daneben gegangen sein soll, bestätigten auch Quellen des NWRI, so Jafarzadeh. „Es wurden sogar unschuldige Zivilisten getötet, auch ein Krankenhaus wurde getroffen.“ Dennoch gebe es keine Grund, Irans Raketenprogramm zu unterschätzen.

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