Europa Bitte kein Mitleid mit uns Deutschen

Glacier Express am Soliser Viadukt in Graubünden: Die Schweizer Bahn hat idyllische Strecken und ist meist pünktlich.
Glacier Express am Soliser Viadukt in Graubünden: Die Schweizer Bahn hat idyllische Strecken und ist meist pünktlich.

Eine Geschichte von der Digitalisierung in Griechenland und Estland und von der vorbildlichen Schweizer Bahn

„Ich bin der Schönste! Ich bin der Stärkste! Ich bin der Sieger!“ So jubelt Häuptling Majestix im Asterix-Band „Kampf der Häuptlinge“. Das haben wir Deutsche auch lange Zeit von uns gedacht: dass wir die Größten, die Besten und die Intelligentesten sind. Von unseren europäischen Freunden etwas abschauen? Kommt eigentlich nicht in Frage. Und wenn doch, müssen wir das natürlich erst einmal ausgiebig selbst testen. Schließlich kann nicht sein, was nicht sein darf.

Inzwischen dämmert es aber auch dem Letzten, dass Deutschland in vielen Bereichen nicht wirklich mehr spitze ist, sondern eher so im Mittelfeld herumkrebst. Bei der Digitalisierung zum Beispiel haben uns sogar die Griechen abgehängt – mit einem Zwischenspurt während der Coronavirus-Pandemie, als hierzulande das Fax eine Renaissance feierte. Inzwischen kann man in Griechenland deutlich mehr als 1500 Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung online erledigen – von der Geburtsurkunde über den Antrag auf Ausstellung eines Angelscheins bis hin zur einvernehmlichen Ehescheidung.

Es ist beruhigend, dass nicht alles schlecht ist

In Estland, quasi am anderen Ende der Europäischen Union, kann man sogar schon online wählen, bequem von zu Hause – sogar schon seit fast 20 Jahren. Und bei uns? Reden wir lieber nicht drüber!

Geredet hat jetzt Vincent Ducrot. Und es war ein bisschen vergiftet, was der Schweizer Bahnchef sagte: „Ihr Land hat ein sehr komplexes System, das nicht in einem guten Zustand ist. Ich leide mit den engagierten Eisenbahnern und den Kunden mit.“ Der Mann hat aber auch gut reden. Schließlich ist die Schweiz für ihr Bahnnetz im Allgemeinen und für die Pünktlichkeit ihrer Züge im Besonderen bekannt. Seit einiger Zeit stoppt sie sogar deutlich verspätete Züge aus Deutschland an der Grenze, um den eigenen Fahrplan nicht auch noch durcheinanderzuwirbeln.

Verantwortlich für den Zustand der DB macht Ducrot etwa die mangelhafte Digitalisierung der Bahntechnik. Zumindest hat er uns einen Vergleich mit Griechenland erspart. Das wäre auch frech gewesen. Denn verglichen mit Griechenland ist Deutschland immer noch Bahn-Musterland. Auch einen Blick nach Estland müssen wir nicht fürchten: 2010 wurde die „Rail Baltica“ mit großen Ambitionen begonnen. Doch die Fortschritte lassen zu wünschen übrig und die Kosten sind explodiert. Ist das nicht beruhigend?

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