Meinung Britische Konservative: In die Mitte oder nach rechts

Ex-Premier Rishi Sunak bleibt noch etwa drei Monate Parteivorsitzender.
Ex-Premier Rishi Sunak bleibt noch etwa drei Monate Parteivorsitzender.

Nach der schweren Niederlage bei den Parlamentswahlen müssen die Torys ihren politischen Kurs neu bestimmen – was nicht einfach wird.

Wie soll es weitergehen bei den Torys? Vor zwei Wochen haben die britischen Konservativen die schwerste Wahlschlappe ihrer Geschichte eingefahren, jetzt erwartet sie eine Zeit in der Opposition, die mindestens fünf, aber möglicherweise zehn Jahre dauern kann. Gestern noch Regierungspartei, heute zur Impotenz verdammt: Kein Wunder, dass der Katzenjammer groß ist.

Der erste Schritt im Genesungsprozess soll die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden sein, und das will man nicht übers Knie brechen. Ex-Premier Rishi Sunak soll noch gut drei Monate im Amt des Parteichefs verbleiben, bevor am 2. Oktober sein Nachfolger verkündet wird. Das vorgeschaltete Ausleseverfahren hat seine Schattenseiten. Beim letzten Mal, als ein Nachfolger für Boris Johnson gefunden werden musste, wurde im Herbst 2022 die gänzlich ungeeignete Liz Truss zu Vorsitzenden gekürt, weil sie den weit rechts angesiedelten Parteimitgliedern am besten gefiel. Nach nur 49 Tagen als Premierministerin musste Truss abtreten, nachdem ihre Steuerpläne eine nationale Finanzkrise ausgelöst hatten.

Katastrophales Wahlergebnis

Diesmal geht es nur darum, Oppositionsführer zu werden. Das Kandidatenfeld wird breit aufgestellt sein. Die vielleicht besten Aussichten könnte Kemi Badenoch, eine 43-jährige schwarze Senkrechtstarterin, haben, die es innerhalb weniger Jahre zum Kabinettsrang gebracht hatte. Sie liegt in der Gunst der Basis weit vorn.

Für die Torys bedeutet der Nachfolgekampf nicht nur eine Personalentscheidung, sondern vor allem eine strategische Grundsatzentscheidung. Das katastrophale Wahlergebnis vom 4. Juli war das schlechteste ihrer 190-jährigen Geschichte, man verlor 244 Mandate. Das war zum einem dem Abwandern von Stammwählern zur nationalpopulistischen Reform UK geschuldet, dessen Parteichef Nigel Farage („Mister Brexit“) schon seit mehr als einem Jahrzehnt den Konservativen vom rechten Rand aus Konkurrenz macht. Aber zugleich schwenkten konservative Wähler, vom Rechtskurs der Regierung abgeschreckt, zur Mitte um und haben für die Liberaldemokraten gestimmt. Die konnten ein Rekordergebnis von 72 Mandaten erzielen, von denen rund 50 in ehemaligen Tory-Wahlkreisen gewonnen wurden.

Strategisches Dilemma

Jetzt steht man vor einem strategischen Dilemma. Versucht man, sich einen Teil der 4,1 Millionen Stimmen zurückzuholen, die man an die Farage-Partei verloren hat? Für diesen Kurs würde Suella Braverman stehen, die schon ausdrücklich vor der Gefahr gewarnt hatte, dass die Konservativen zu „zentristischen Spinnern“ werden könnten. James Cleverly plädiert und andere plädieren hingegen für eine Rückkehr in die Mitte, weil dort in der Regel Wahlen gewonnen werden.

Doch der Weg zurück in die Mitte ist sicherlich länger als der in die andere Richtung, nachdem sich die Partei im Streit um den Brexit immer weiter radikalisiert hatte und mittlerweile weit rechts angesiedelt ist. Dazu kommt, dass die innerparteiliche Gravitation, nämlich vor allem die erzkonservative Einstellung der Parteimitglieder, einen Schwenk zur Mitte schwierig bis unwahrscheinlich macht.

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