Politik Bulliger Jubel bei der CDU – stille Tristesse bei der SPD

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Die Saar-CDU kann den überragenden Erfolg ihrer Spitzenkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer kaum fassen. Niedergeschlagenheit herrscht dagegen bei der SPD, die sich so viel vom „Schulz-Effekt“ versprochen hatte. Jammerschade findet Linken-Chef Oskar Lafontaine den Ausgang der Landtagswahl: Rot-Rot kommt nicht.

Videofreunden ist der Begriff geläufig: Luminanz ist ein Maß für Helligkeit von Lichtpunkten. In der Luminanz am Ludwigspark, dem Ort der Wahlparty der Saar-CDU, war das Maß klar: Jedes der strahlenden, jubelnden Gesichter ist ein Glanzpunkt. Die Abgeordneten Günter Heinrich und Günter Becker umarmen sich, noch ganz sprachlos. „Einfach der Wahnsinn. Ich war absolut optimistisch, hatte mich mit einem Ergebnis von 37 oder 38 Prozent weit aus dem Fenster gelehnt. Aber dass uns die Saarländer 40 Prozent geben, ist ein riesiger Erfolg – zuallererst von Annegret Kramp-Karrenbauer“, sagt Heinrich. Aus der SPD-Hochburg Rehlingen-Siersburg stammend, wo die Sozialdemokraten vor fünf Jahren 39 Prozent der Stimmen holten, glaubt Heinrich nun an ein weiteres gutes Miteinander in der CDU-geführten großen Koalition. Die Saarländer hätten sich gegen Experimente entschieden. CDU-Innenminister Klaus Bouillon hat noch eine andere Lesart der Zugewinne seiner Partei: „Die SPD hat auf Martin Schulz gesetzt, die CDU auf Annegret – und mich. Da sieht man ja, wie so was ausgeht“, frotzelt der als Co-Spitzenkandidat aufgetretene, 69 Jahre alte Sankt Wendeler. Im Wahlkampf habe er die Sympathien der Saarländer gespürt. Deshalb war sein Optimismus noch größer als der der Kollegen Heinrich und Becker. „Ich habe ein ganze Kiste Champagner gewonnen. Ich habe das 40er-Ergebnis vorhergesagt.“ Ab heute könne wieder „geschafft“ werden. Das Votum für die Große Koalition sei eindeutig, sagt „Bulli“. Blendende Stimmung bei Gulasch-Suppe und Curry-Wurst hier, Luftlinie einen halben Kilometer entfernt dagegen Niedergeschlagenheit. In der Congresshalle wollten die Sozialdemokraten feiern. Stattdessen: stumme Trauer, Tristesse. Auch nach 18 Jahren werden SPDler nur zu Gast bei den Kabinettssitzungen an der Ludwigskirche sein, das Hausrecht in der Staatskanzlei hat Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer auch künftig inne. Bildungsminister Ulrich Commercon muss die Enttäuschung der 300 erschienenen Genossen auffangen. „Wir haben gekämpft, und klar, jetzt sind wir enttäuscht. Aber vergessen wir nicht: Die Saarländer sind zufrieden mit ihrer Regierung. Und das ist vor allem auch unser Verdienst“, ruft Commercon ins Mikro. Kaum eine Hand rührt sich zum Applaus. Nur einmal, als die 18-Uhr-Prognose ein Scheitern der FDP vorhersagt. Doch allen in der Congresshalle ist klar: Die Option Rot-Rot-Grün, die sich Spitzenkandidatin Anke Rehlinger offengehalten hatte, zieht nicht. Schon allein deshalb, weil die Grünen zum zweiten Mal seit 1994 die Umzugskisten packen müssen. Das von Oskar Lafontaine angediente Bündnis mit der Linken erreicht nicht die Mehrheit der Sitze im Haus an der Franz-Josef-Röder-Straße, dem Landtag. Peter Bauer, der gestandene Fraktionsvorsitzende der SPD im Saarbrücker Stadtrat, Manager von Rot-Rot-Grün in der Landeshauptstadt, bleibt die Spucke weg. Nicht aber die Fähigkeit, den vor der Wahl beschworenen Aufwind durch den neuen SPD-Bundeschef Martin Schulz zu analysieren. „Schulz hat nicht gezogen. Zumindest nicht im Saarland, das müssen wir nüchtern zur Kenntnis nehmen.“ Keine halbe Stunde sind die ersten Prognosen raus, da verlassen die erste Sozialdemokraten die Wahlparty. Mit eingerolltem roten Schlips, gesenkten Hauptes. Und der Erkenntnis: Auch Anke Rehlinger, wie zuvor dreimal Heiko Maas, kommt an CDU-Kandidaten nicht vorbei. Sichtlich angefasst kommentiert Rehlinger ihre Niederlage. Im Wahlstudio in der Saarlandhalle gratuliert die aus dem Sport Fairness gewohnte 40-Jährige ehrlichen Herzens ihrer Duz-Freundin: „Das ist ein ganz persönlicher Erfolg für Annegret Kramp-Karrenbauer.“ Vor zwei Monaten war die SPD noch bei 24 Prozent gesehen worden, gestern wurden es wenigstens 29, wenn auch ein Prozentpunkt weniger als vor fünf Jahren. Die von ihr stets öffentlich klein gehaltene Diskussion um ein Bündnis mit Oskar Lafontaine habe der SPD erneut geschadet. Ein „paar Prozentpünktchen“ habe sie gekostet, meint Rehlinger. Die Linke trifft sich am Wahlabend im Jules Verne, einer Szenekneipe in Saarbrücken Downtown. Die Reise zum Mittelpunkt der Erde wird nichts werden. Und auch nicht an den Kabinettstisch einer SPD-geführten Landesregierung. „Das Projekt einer sozialen Politik in Regierungsverantwortung im Saarland wird es nun nicht geben. Jammerschade“, sagt Oskar Lafontaine. Seine Linke, drei Prozentpunkte schwächer als 2012 und acht als bei der Wahl 2009, als Lafontaine erstmals Spitzenkandidat war, werde in den kommenden fünf Jahren zur einzigen Opposition im Landtag – die AfD zählt für den 73-Jährigen nicht. Die Versöhnung mit seiner ehemaligen Partei gelingt dem Ex-SPD-Bundesvorsitzenden doch nicht. Romancier Jules Verne hätte dem Napoleon von der Saar sicher ein anderes Schlusskapitel geschrieben. Die AfD begießt ihren Erfolg, mit dem Saarland in das elfte Landesparlament einzuziehen, fernab des Saarbrücker Landtags, in einem Hotel in Völklingen. In kleinster Runde: „Viel werden nicht kommen, wir sind ja nicht viele. Aber erfolgreich“, freut sich Landeschef Josef Dörr auch über die 6,2 Prozent. Vor einem halbe Jahr nahm er noch Wetten auf ein Ergebnis von 20 Prozent plus an. Dörr, von den Bundesvorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen wegen seiner ultrarechten Kontakte geschnitten, gleichwohl zähneknirschend mit Wahlkampf-Auftritten in der letzten Woche unterstützt, wird nun eine besondere Ehre zuteil. Am 15. April wird er, so nichts Außergewöhnliches dazwischen kommt, den 16. Landtag des Saarlandes eröffnen. Der 78-Jährige ist der älteste Abgeordnete. Die Mehrheit der 51 Abgeordneten hätte sich wohl einen anderen Alterspräsidenten gewünscht.

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