Kiew Dammbruch in der Ukraine: Massive Umweltschäden befürchtet

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms ergießen sich stromabwärts die Fluten aus dem riesigen Stausee.
Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms ergießen sich stromabwärts die Fluten aus dem riesigen Stausee.

Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms wird verheerende Folgen für die Natur haben. Nach ukrainischen Angaben sind bereits mehr als 600 Quadratkilometer Land überschwemmt worden, Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von „der größten von Menschen verursachten Umweltkatastrophe in Europa seit Jahrzehnten“.

Gefahr für Flora und Fauna: Die ukrainische Organisation Ecoaction fürchtet ein „Massensterben von Wasserorganismen – Fischen, Muscheln, Schalentieren, Mikroorganismen und Wasservegetation“, aber auch von Nagetieren. Das werde auch die Wasserqualität beeinträchtigen.

Der zerstörte Damm staute 18 Milliarden Kubikmeter Wasser, die nun über den Dnipro, den viertlängsten Fluss Europas, zum Schwarzen Meer fließen. Die Wassermenge könnte das Meer in einigen Bereichen zeitweise entsalzen, erklärt Ecoaction.

Die Tierwelt sei auf einer Fläche von mindestens 5000 Quadratkilometern betroffen, schätzt ihrerseits die Organisation Ukrainian Nature Conservation Group. „Manche Arten haben am 6. Juni möglicherweise mehr Schaden erlitten als in den letzten 100 Jahren.“ Allein bei den Fischen werde es „mindestens sieben bis zehn Jahre dauern“, bis sich die Bestände wieder erholten. „Alle Lebewesen, die den Kachowka-Stausee bewohnen, sind bereits tot oder werden in den nächsten Tagen sterben.“

Auch die Pflanzenwelt wird Schaden nehmen. Die Vegetation oberhalb des Staudamms, werde „aufgrund der Entwässerung absterben“, prognostiziert Ecoaction. „Die flussabwärts gelegenen Gebiete werden hingegen überflutet, einschließlich der Steppen- und Waldgebiete, die dadurch zerstört werden.“ Mehrere nationale Naturparks der Ukraine sind direkt bedroht.

Verschmutzung: Durch die Flut gelangen Müll, Chemikalien und andere gefährliche Stoffe ins Wasser, gleichzeitig funktionieren Kläranlagen und Kanalisation nicht mehr. Allein am Dienstag flossen laut ukrainischen Angaben 150 Tonnen Motoröl in den Dnipro. Es ist davon auszugehen, dass das verseuchte Wasser das Meer erreicht, wo es Pflanzen und Tieren vom Plankton bis hin zu Walen schaden kann.

Wassermangel: Der Kachowka-Damm diente auch zur Trinkwasserversorgung und der Bewässerung des südlichen Teils der Ukraine, der bereits zu den trockensten Gebieten des Landes zählt. Für Millionen Menschen könnte das Wasser knapp werden, Wüsten könnten entstehen.

Weniger Energie und Nahrung: Am Staudamm wurde nicht nur ein Wasserkraftwerk betrieben, das jetzt ausfällt. Der Stausee lieferte auch das Kühlwasser für das von der russischen Armee besetzte Atomkraftwerk Saporischschja. „Die mögliche fehlende Kühlung der sechs Reaktoren könnte bedeuten, dass das Kraftwerk in absehbarer Zeit nicht betriebsfähig sein wird“, sagt Malte Janssen von der University of Sussex Business School.

Die Zerstörung des Staudamms könnte zudem die landwirtschaftliche Produktion stark einschränken - mit gravierenden Folgen weit über die Ukraine hinaus, da das Land einer der größten Getreidelieferanten der Welt ist.

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