Politik Das Zauberwort Investitionen

Er ist das Kernprojekt von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, um die Konjunktur in Europa anzukurbeln: Der Europäische Fonds für strategische Investitionen, auch „Juncker-Fonds“ genannt, ist bislang 315 Milliarden Euro schwer. Doch was bringt er?

Das Problem

Die EU leidet an einer chronischen Wachstumsschwäche. In den Jahren 2010 bis 2016 ist die Wirtschaft in der Union pro Jahr nur um 1,3 Prozent gewachsen. Allerdings vernebelt der Durchschnittswert die Dramatik in einigen EU-Länder. Denn in Kroatien, Griechenland, Zypern oder Portugal ist die Wirtschaft geschrumpft statt gewachsen. Zum Vergleich: China hatte im vergangenen Jahr ein Wachstum von 6,7 Prozent – der niedrigste Zuwachs seit 1990. Wie wirkt sich die Wachstumsschwäche konkret für die Bürger aus? Einige Stichworte dazu: höhere Arbeitslosigkeit, niedrigere Sozialstandards, schwächelnde Bildungssysteme, bröckelnde Infrastruktur. Die Überlegung Für manche im politischen Raum gibt es ein Zauberwort gegen Europas Wachstumsschwäche. Es heißt Investitionen, notfalls von der öffentlichen Hand. Die Überlegung dahinter: Durch Investitionen werde wirtschaftliche Aktivität angekurbelt. Das führe zu Arbeitsplätzen, bringe dem Staat Einnahmen und stricke ein engmaschigeres soziales Netz. Im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise haben sich Fronten gebildet: Während Nordeuropa, allen voran Deutschland, auf Strukturreformen und Sparsamkeit in wachstumsschwachen Ländern drängt, ruft Südeuropa nach Investitionen, also nach Kapitaleinsatz. Nordeuropas Ansatz wird häufig als Spardiktat („Austeritätspolitik“) wahrgenommen. Demgegenüber hat beispielsweise Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erst dieser Tage wieder erklärt, Europas Problem sei nicht in erster Linie das Geld. Vielmehr müsse es richtig eingesetzt werden. Die Lösung Schon wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt hat die amtierende EU-Kommission 2014 eine Investitionsoffensive vorgestellt. Herzstück ist der „Europäische Fonds für Strategische Investitionen“ (EFSI), längst auch „Juncker-Fonds“ genannt. Er wurde zunächst für drei Jahre geschaffen und sollte europaweit Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro auslösen. Bemühungen, die Laufzeit bis 2020 zu verlängern und das Investitionsvolumen auf 500 Milliarden Euro zu erhöhen, werden voraussichtlich im Sommer erfolgreich abgeschlossen sein. Das Pfiffige an dem Fonds: Nur für einen geringen Teil der 315 Milliarden Euro müssen Europas Steuerzahler gerade stehen. Brüssel hat eine Garantie in Höhe von 16 Milliarden Euro ausgesprochen, die gegebenenfalls aus dem EU-Haushalt gezahlt werden müsste. Weitere fünf Milliarden Euro steuert die Europäische Investitionsbank bei. Der Löwenanteil an den 315 Milliarden Euro wird von privaten Investoren aufgebracht. Im Jargon wird das „Hebelwirkung“ genannt. Wichtiger Grundsatz dabei: Es sollen nur Projekte Garantiezusagen bekommen, die sich über eine marktübliche Kreditfinanzierung nicht realisieren lassen. Die Geldflüsse Europas große Volkswirtschaften profitieren am meisten vom Juncker-Fonds: Nach Angaben der EU-Kommission hat Italien Finanzierungszusagen für Infrastrukturprojekte und für Vorhaben kleinerer und mittlerer Betriebe in Höhe von 4,3 Milliarden Euro bekommen, ebenso Frankreich. Deutschland hat Zusagen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro, Spanien von 3,5 Milliarden Euro und das Vereinigte Königreich von 3,3 Milliarden Euro (Stand März 2017). In Deutschland hat beispielsweise die Heidelberger Druckmaschinen AG von diesem Finanzierungsinstrument in dreistelliger Millionenhöhe profitiert. Demgegenüber gibt es Länder, in die vergleichsweise wenige Gelder geflossen sind. Für Zypern beispielsweise, das von 2013 bis 2016 unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen musste, hat es bisher nur eine einzige Vereinbarung in Höhe von fünf Millionen Euro gegeben. Auch in andere Länder mit hohem Investitionsbedarf fließen nur wenige Mittel, dazu zählen Malta (sechs Millionen Euro), Slowenien (acht Millionen Euro), Ungarn (26 Millionen Euro), Kroatien (82 Millionen Euro), Rumänien (165 Millionen Euro) oder Bulgarien (202 Millionen Euro). Das Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Young stellt noch andere große Unterschiede fest: Bis Mitte 2016 sind acht Milliarden Euro aus dem Juncker-Fonds in die sogenannten EU15 geflossen, aber nur gut 750 Millionen Euro in die EU 13. Die Gruppe der EU15 setzt sich aus Ländern zusammen, die vor dem 1. Mai 2004 Mitglied der EU waren. Staaten, die danach eingetreten sind, gelten als EU-13-Länder. Das sind insbesondere osteuropäische Staaten. Allerdings: Die absolute Zahl der Geldflüsse in die jeweiligen Länder ist nur bedingt aussagekräftig. Denn große Volkswirtschaften können tendenziell mehr Fördergelder absorbieren als kleine. Daher hat Ernst & Young als Vergleichsmaßstab die Höhe der Förderzusagen in Relation zur Bevölkerungszahl der jeweiligen Länder gesetzt. Mit dem Ergebnis: In die EU 15 sind pro Kopf 20 Euro geflossen, in die EU 13 nur sieben Euro. Das Resümee Der Juncker-Fonds wirkt. Aber er wirkt ungleich. Über die Gründe dafür gibt es offenbar keine offiziellen Untersuchungen. Aber es gibt eine Vermutung: Die EU-Garantiezusagen werden nur getätigt, wenn zugleich privates Investitionskapital eingesetzt wird. Gibt es keine privaten Investoren, können auch keine EU-Garantien ausgesprochen werden. Ein Grund für die private Investitionszurückhaltung könnten schlechte Rahmenbedingungen in manchen Ländern sein. Dazu zählen beispielsweise mangelnde Rechtssicherheit, Korruption oder steuerliche Hürden. An mangelndem Kapital können die ungleichen Geldabflüsse jedenfalls nicht liegen. Immerhin: Die EU hat das Problem erkannt – und sucht nach Lösungen.

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