Politik Der EU-Kommissionspräsident droht mit seinem Rücktritt

Jean-Claude Juncker (rechts) mit seinem bisherigen Kabinettschef Martin Selmayr, der nun Generalsekretär der EU-Kommission ist.
Jean-Claude Juncker (rechts) mit seinem bisherigen Kabinettschef Martin Selmayr, der nun Generalsekretär der EU-Kommission ist.

«Brüssel.» EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Medienberichten zufolge im Streit um die Blitzbeförderung seines Vertrauten und bisherigen Kabinettschefs Martin Selmayr mit Rücktritt gedroht.

Bei einem Treffen mit Spitzenvertretern der europäischen Konservativen habe Juncker am Donnerstag mangelnde Unterstützung beklagt und mit Blick auf Selmayr gesagt: „Wenn er geht, gehe ich auch“, berichtete „Spiegel Online“. Auch das Onlinejournal „Politico“ berichtete von dem Eklat und zitierte einen EU-Vertreter mit den Worten, Juncker sei bei dem Treffen „erbost“ gewesen. Kritiker werfen Juncker vor, seinen bisherigen Kabinettschef Selmayr in einem intransparenten Hau-Ruck-Verfahren auf den einflussreichen Posten des Generalsekretärs der EU-Kommission gehievt zu haben. Die Rücktrittsdrohung des Luxemburgers fiel den Berichten zufolge bei einem Treffen seiner Europäischen Volkspartei (EPP) in Brüssel. Laut „Politico“ zeigte sich Juncker verärgert über mangelnde Unterstützung seiner Parteifreunde im Streit um Selmayr. Daraufhin habe sich EPP-Präsident Joseph Daul beschwert, Juncker habe die Partei nicht über die anstehende Beförderung unterrichtet. EU-Kreisen zufolge wurde der Deutsche Selmayr binnen weniger Minuten zwei Mal befördert, um auf den Spitzenposten der EU-Kommission mit ihren 32.000 Mitarbeitern zu rücken. Zunächst wurde er diesen Angaben zufolge am 21. Februar zum Vize-Generalsekretär ernannt, dann machte Juncker ihn umgehend zum Nachfolger des bisherigen Generalsekretärs Alexander Italianer, der zum 1. März in den Ruhestand ging. Laut EU-Kreisen waren nur zwei EU-Kommissare vorab in die Personalie eingeweiht. Dem widersprach Selmayr Anfang der Woche. Nach seinem Kenntnisstand hätten vor rund vier Wochen alle 28 EU-Kommissionsmitglieder am Tisch gesessen und gesagt: „Wir wollen den Selmayr zum Generalsekretär haben“, sagte der 47-Jährige am Montagabend in Brüssel. Eine solche Entscheidung dürfe die Kommission doch wohl treffen. Schließlich ernenne auch das EU-Parlament eigenständig seinen Generalsekretär. Selmayr vermutet nach eigenen Angaben politische Motive hinter den Vorwürfen. „Irgendwer hat offensichtlich ein Interesse daran, die Kommission schlecht aussehen zu lassen“, sagte er. Als mögliche Gründe nannte er umstrittene politische Positionierungen, wie zum Beispiel die für eine solidarische Umverteilung von Flüchtlingen in Europa. Kritiker ziehen hingegen nicht nur die Korrektheit des Verfahrens in Zweifel, sondern die Eignung Selmayrs zur Leitung der Brüsseler Riesenbehörde. Es wurde der Verdacht geäußert, Juncker habe ihm den lukrativen Posten zuschanzen wollen, bevor im kommenden Jahr seine eigene Amtszeit als Präsident der politisch unabhängigen Exekutive der EU endet. Besonders im EU-Parlament stießen die Personalentscheidung und die Umstände ihrer Durchsetzung auf Widerstand. Bis gestern Abend musste die EU-Kommission Antworten auf einen umfangreichen Fragenkatalog des Haushaltskontrollausschusses zu der Personalie vorlegen. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold kritisierte gestern Junckers Rücktrittsdrohung als „Respektlosigkeit gegenüber der demokratischen Aufklärung“. Es sei „grotesk, dass der EU-Kommissionspräsident sein Schicksal von der Karriere eines EU-Beamten abhängig“ mache, erklärte Giegold. „Juncker steht im Dienst der europäischen Bürger, nicht von Martin Selmayr.“ Er forderte Juncker auf, in der Angelegenheit zur Aufklärung beizutragen.

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