Politik Der Neue im Élysée-Palast und die alten Pläne

Demonstrative Nähe: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Staatspräsident Emmanuel Macron gestern in Berlin.
Demonstrative Nähe: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Staatspräsident Emmanuel Macron gestern in Berlin.

BERLIN. Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron ist mit einem Rucksack voller Ideen nach Berlin gereist. Doch vor der Bundestagswahl wird sich in Europa vermutlich nicht viel tun.

Es ist ein neues Gesicht. Jung. Frisch. Unverbraucht. Gestern Abend hat es sich im Bundeskanzleramt gezeigt. Aber eigentlich ist Emmanuel Macron ein alter Bekannter. Mindestens seit 2012 hatte der Berater des französischen Staatspräsidenten François Hollande Kontakte nach Berlin, heißt es aus der Bundesregierung. Macron ist also kein unbeschriebenes Blatt in der Bundesregierung. Mindestens in groben Zügen sind sie im Bild über die Pläne des Neuen im Élysée-Palast. Worum geht es ihm? Zum Beispiel darum, die Länder in der Eurozone enger zusammenzuführen. Die Angleichung der unterschiedlichen Wirtschaftsräume kommt kaum voran. Das will Macron anpacken. Er schlägt einen Euro-Finanzminister vor und einen von diesem Minister verwalteten Haushalt. Der Euro-Finanzminister könnte bei schlechter Konjunktur die strenge Finanzdisziplin in den Mitgliedsländern lockern, um die Wirtschaft anzukurbeln. Mit dem eigenen Etat könnte er finanziell taumelnden Staaten durch Investitionen unter die Arme greifen. Darüber hat vor Jahren übrigens auch Kanzlerin Angela Merkel nachgedacht. Macron bietet also die Möglichkeit, Europa neuen Schwung zu geben. Das wird auch in Berlin so gesehen. Dennoch schlägt ihm aus Teilen der Bundesregierung Zurückhaltung entgegen. Zwar hat Merkel Macron gestern Abend eine „enge, vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit“ angeboten. Aber zu den Inhalten des neuen französischen Präsidenten blieb sie vage. Es ginge zunächst darum, einen Fahrplan zu erarbeiten mit dem sinngemäßen Arbeitstitel: „Wie können wir die Europa und vorrangig die Eurozone krisenfester machen?“ Auch kann sich Merkel vorstellen, die Steuersysteme beider Länder anzugleichen, gemeinsam Bürokratie abzubauen, grenzüberschreitende Wirtschaftsprojekte anzupacken oder die europäische Verteidigungspolitik voranzutreiben. Aber in Berlin ist auch zu hören: Frankreich müsse zunächst seine Hausaufgaben machen und sich reformieren. Vielleicht ist es sogar mehr als Zurückhaltung. Misstrauen schwingt mit, wie auf dem jüngsten Titelblatt des „Spiegel“ zu lesen war: „Teurer Freund. Emmanuel Macron rettet Europa … und Deutschland soll zahlen“. In der öffentlichen deutschen Debatte ist dem neuen Präsidenten beispielsweise unterstellt worden, er plädiere für Eurobonds, also für die Vergemeinschaftung europäischer Schulden. Dem hat Macron gestern Abend widersprochen, zumindest wenn es um die Altschulden geht. Denn: „Das würde zu einer Politik der Verantwortungslosigkeit führen.“ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat öffentlich nichts gegen einen Euro-Finanzminister einzuwenden. Allerdings glaubt er nicht an die Umsetzbarkeit dieses Vorschlags. Warum nicht? Weil ein solches Amt mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden müsste, um die Haushaltsregeln durchzusetzen. Dazu aber wären Änderungen in den EU-Verträgen notwendig, die in einigen Ländern per Referendum abgesegnet werden müssten. Mehrheiten dafür sieht Schäuble nicht. Der SPD-Teil der Bundesregierung hat Macrons Pläne dagegen mit Wohlwollen aufgenommen. Den Genossen geht es in erster Linie um mehr Investitionen in Europa. Allerdings: In den nächsten Monaten wird es zu all den Plänen mutmaßlich keine wegweisenden Beschlüsse geben. Denn Macron hat im Juni die Parlamentswahlen zu bestehen. Und im September wird hierzulande der Bundestag neu gewählt. Bis dahin werden mindestens CDU und CSU ihre europapolitischen Karten eng an der Brust halten.

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