Exklusiv-Interview Designierter Ministerpräsident Alexander Schweitzer will Regionen stärken

Wird die Fritz-Walter-Stiftung weiter führen und auch die SPD in der Pfalz: Der designierte Ministerpräsident Alexander Schweitz
Wird die Fritz-Walter-Stiftung weiter führen und auch die SPD in der Pfalz: Der designierte Ministerpräsident Alexander Schweitzer im Landesbüro der RHEINPFALZ in Mainz im Gespräch mit Chefredakteur Yannick Dillinger.

Akzente will er in der Bildungspolitik setzen, mit den Kommunen einen neuen Dialog starten und im Ahrtal zuhören. Alexander Schweitzer (SPD) spricht mit RHEINPFALZ-Chefredakteur Yannick Dillinger und Landeskorrespondentin Karin Dauscher über seine neue Aufgabe und darüber, wie er es mit Vorbildern hält.

Herr Schweitzer, werden am Mittwoch Ihre politischen Träume wahr?
Ich werde, wenn alles so kommt, wie es aussieht, zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Aber ich kann Ihnen offen sagen: Davon habe ich nie geträumt. Meine Träume haben sich immer auf andere Dinge bezogen. Die waren meistens nicht im politischen Raum zu Hause, schon gar nicht habe ich mir Ämter erträumt.

Wie überrascht waren Sie, dass dieses Amt jetzt zur Disposition steht?
Ich war schon überrascht, dass Malu Dreyer das jetzt aufgerufen hat. Mir war klar, dass wir diesen Sommer im engen Führungskreis der Sozialdemokratie in Rheinland-Pfalz darüber sprechen werden, wie es weitergeht. Malu Dreyer hat zu Gesprächen eingeladen und hat gesagt, sie wolle sich zurückziehen. Dabei nannte sie die Gründe, die sie auch öffentlich genannt hat. Und sie sagte: „Ich stelle mir vor, dass du das machst.“

Hatte sie da schon mit Innenminister Michael Ebling gesprochen, der ebenfalls als Kronprinz galt?
Wenn Sie fragen wollen, ob ich einfach der Erste war, der zugesagt hat – ich glaube, so war das nicht. Es war immer klar, dass wir am Ende eine Person in unserer Mitte haben werden, hinter der wir uns alle versammeln. Es gab keine Kontroverse, keinen Streit. Es waren Gespräche, die sehr davon geleitet waren, den Übergang gut hinzubekommen.

Das heißt, im Verhältnis mit Michael Ebling und mit Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die ebenfalls für die Nachfolge gehandelt wurde, gibt es keinerlei Dinge, die das Verhältnis schwierig machen können?
Nein, die gibt es nicht. Weil wir uns tatsächlich gut verstehen. Das Bild, das manchmal in der Öffentlichkeit von solchen Konkurrenzsituationen erzeugt wird, hat mit den tatsächlichen Verhältnissen nichts zu tun. Wir kennen uns seit Jahren. Wir schätzen und wir mögen uns. Wir wissen auch, was wir können. Das hat die Gespräche geprägt. Natürlich habe ich mit Michael Ebling gesprochen und ihn gebeten, weiterhin Innenminister zu sein, weil ich seine Arbeit schätze. Mir war immer wichtig, ihm zu sagen: „Bitte bleib im Team, bleib an Bord. Ich setze auf dich als Innenminister, auch über das Ende der Legislaturperiode 2026 hinaus.“ Er hat deutlich gemacht, dass er hinter der Entscheidung steht, dass er mich als Ministerpräsident unterstützt. Ministerpräsident ist man nie alleine, man braucht immer ein starkes Team.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Probleme, die Sie bis 2026 anpacken müssen?
Tatsächlich haben wir noch einiges im Koalitionsvertrag vor uns, auch wirklich große Projekte. Da nenne ich das Thema Arbeit und Transformation, die wirtschaftliche Entwicklung oder den Klimaschutz. Wir dürfen aber auch beim Thema Schule und Bildung nicht nachlassen. Das ist ein Bereich, auf den ich jetzt sehr genau schauen werde. Da werde ich auch den einen oder anderen Akzent setzen. Was mich sehr stark beschäftigt, ist der Zusammenhalt im Land und der Zusammenhalt zwischen den Regionen. Wir waren in Rheinland-Pfalz immer stark darin, dass sich die Regionen als Teil des ganzen Landes gesehen haben, auch wenn die Unterschiedlichkeit gerne gelebt wird.

In der Westpfalz wird über einen „Masterplan“ diskutiert.
Diese Diskussion in der Westpfalz nehme ich sehr stark wahr und ich nehme mir vor, in die Regionen zu schauen, gemeinsam neue Ideen zu entwickeln, die den Zusammenhalt des Landes stärken.

Der Zwiespalt zwischen dem Land und den Kommunen ist zum Dauerbrenner geworden, insbesondere, wenn es ums Geld geht. Sehen Sie auch da einen Handlungsbedarf?
Ja, ganz klar. Mir gefällt es nicht, wie oftmals die Diskussion zwischen den Kommunen und dem Land verläuft. Da haben sich fast schon Rituale des gegenseitigen Missverständnisses eingespielt. Als jemand, der seit 25 Jahren kommunalpolitisch aktiv ist, kann ich sagen: Ich treffe zu 99,9 Prozent Kommunalpolitikerinnen und -politiker aller demokratischen Parteien, die einfach nur wollen, dass es in ihrer Heimat gut läuft. Aber das gleiche gilt auch für Landespolitiker. Wenn man gemeinsam der Meinung ist, dass man in schwierigen Zeiten etwas für die Heimat erreichen kann, dann muss es Möglichkeiten geben, besser zusammenzuarbeiten.

Was wollen Sie besser machen?
Die Tonlage, die ich mir wünsche, will ich selbst einbringen. Kommunen und das Land haben viele gemeinsame Interessen. Die Demokratie steht unter Druck, Menschen haben immer häufiger den Eindruck, der Staat funktioniere nicht gut. Sie machen keinen Unterschied zwischen Land und Kommune oder zwischen Kommune und Bund. Zu glauben, dass man auf diese Staatsskepsis, aus der eine Politik- oder, noch schlimmer, eine Demokratieskepsis erwächst, am besten damit reagiert, dass man mit möglichst vielen Fingern auf die jeweils andere Ebene zeigt, das halte ich für keinen klugen Rat.

Durchaus überrascht hat die Entscheidung für die Nachfolge in Ihrem Ministerium. Hätte es in Rheinland-Pfalz, in Ihrer Fraktion niemanden gegeben, der auch in Frage gekommen wäre?
Natürlich! Mit Dörte Schall habe ich eine hochkompetente Persönlichkeit gefunden, die Pfälzerin ist, Rheinland-Pfälzerin, und die Erfahrung mitbringt, die wirklich in dieses Ministerium passt. Als Arbeitsministerin ist eine frühere Gewerkschaftssekretärin, die Tarifverträge ausgehandelt hat, ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal. Außerdem hat sie eine kommunale Sozialverwaltung einer Großstadt mit 1800 Beschäftigten geführt. Sie kennt deshalb auch die Rolle der kommunalen Gesprächspartner, wenn es um Eingliederungshilfe oder um Pflege geht.

Sie haben eine Kabinettsumbildung ausgeschlossen, nehmen aber Veränderungen auf Staatssekretärsebene vor. Massive Kritik gab es im vergangenen Jahr an Medienstaatssekretärin Heike Raab. Bleibt sie im Amt?
Ja. Ich habe mich entschieden, dass sie im Amt bleibt, weil ich ihre Erfahrung schätze, weil sie die Landesvertretung in Berlin und in Brüssel sehr souverän führt. Auch mit Blick auf 2025, wenn der Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz auf uns zukommt, habe ich mich entschieden, Erfahrung, Routine und Souveränität an meiner Seite zu lassen.

Eine dunkle Seite in Ihrer Laufbahn liegt zehn Jahre zurück. Sie sollen sich damals als Sozialminister um eine Stelle für Ihren Schwager im Pfalzklinikum Klingenmünster bemüht haben. Wie schauen Sie heute darauf?
Das war eine Dummheit und ein Fehler. Ich habe damals sehr deutlich gemacht, dass ich das sehr selbstkritisch sehe. Daran hat sich nichts geändert.

Ihr politischer Mentor Kurt Beck galt als Kümmerer, als „nah bei de Leut“ - was man auch Ihnen zuschreibt. Er war in seiner Amtszeit aber auch aufbrausend und mitunter zu hemdsärmelig. Daraus sind Skandale entstanden. Wie ist es für Sie, mit ihm verglichen zu werden?
Es ist eine Ehre. Aber jeder, der uns beide sieht und erlebt, weiß, dass der Vergleich hinkt. Wir sind aus unterschiedlichen Generationen, haben unterschiedliche Prägungen und unterschiedliche Persönlichkeiten. Kurt Beck ist in seiner Nähe zu den Menschen für mich ein Vorbild. Aber ich habe früh gelernt, dass man Vorbilder achten muss, dass man sie aber nicht imitieren sollte. So halte ich es mit Kurt Beck und auch mit Malu Dreyer.

Wie sicher ist es, dass nach dem Parteitag am 28. September das Amt des Ministerpräsidenten von dem Parteivorsitz getrennt bleibt, dass die Fraktionschefin im Landtag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, SPD-Landesvorsitzende wird?
Auf dem Parteitag werden wir das klar bestätigen. Ich glaube, das ist ein Modell, das weit in die Zukunft reicht. Schon jetzt in dieser Phase des Übergangs merke ich, dass es eine sehr intensive Zeit sein wird, Ministerpräsident zu sein. Ich bin deshalb froh, wenn der Landesvorsitz nicht auch noch bei mir liegt. Sabine Bätzing-Lichtenthäler und ich verstehen uns sehr gut und wir stimmen uns sehr eng ab.

Sie bleiben SPD-Pfalz-Chef und stellvertretender Landesvorsitzender?
Ja, das möchte ich gerne bleiben. Ich finde es eher schwierig, wenn man in öffentliche Verantwortung kommt und sich dann aus dem Ehrenamt der Parteiarbeit zurückzieht. Das fand ich nie sympathisch.

Es steht so gut wie fest, dass bei der Landtagswahl 2026 der CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder gegen Sie antreten wird. Wie finden Sie ihn?
Ich habe ein sehr aufgeräumtes Verhältnis zu ihm. Als er Fraktionsvorsitzender wurde, habe ich ihm gleich gratuliert. Als leidenschaftlicher Parlamentarier bin ich auch wirklich der Meinung, dass das Parlament davon lebt, dass es einen starken Oppositionsführer gibt.

Und den gibt es?
Ich glaube, dass er die Rolle jetzt einnehmen muss und ich denke, dass er unter dem Erwartungsdruck seiner eigenen Partei steht. Das beobachte ich sehr nüchtern, denn diese Dinge muss die CDU für sich klären.

Der Wechsel an der Spitze der Regierung findet vier Tage vor dem dritten Jahrestag der Flutkatastrophe im Ahrtal statt. Niemand hat Verantwortung dafür übernommen, dass der Katastrophenschutz so schlecht aufgestellt war. Malu Dreyer hat sich nie entschuldigt. Sehen Sie für sich noch Handlungsbedarf?
Ich habe Malu Dreyers sehr persönliche Begründung immer respektiert und auch die Gründe, die sie genannt hat, immer nachvollziehen können. Ich war als Sozial- und Arbeitsminister häufig im Ahrtal, aber ich merke schon jetzt, dass die Aufmerksamkeit in der neuen Rolle eine andere sein wird. Deshalb habe ich mir vorgenommen, zunächst die persönlichen Begegnungen, die kommen werden, auf mich wirken zu lassen.

Was werden Sie vermissen, wenn Malu Dreyer nicht mehr Ministerpräsidentin ist?
Ich werde Malu Dreyer vermissen, sie als Person und die Zusammenarbeit mit ihr, die sehr durch ihre empathische Persönlichkeit geprägt war. Es war oftmals lustig, aber sie kann auch sehr fordernd sein. Ich bin mir sicher, die Tonlage, die Malu Dreyer selbst in die kleinsten Runden gebracht hat, werde nicht nur ich vermissen.

Das Amt wird Auswirkungen bis ins Private haben. Künftig werden Sie von Personenschützern begleitet. Haben sich Ihre Frau, Ihre Kinder schon darauf vorbereitet?
Tatsächlich hat das in unseren Gesprächen eine Rolle gespielt, weil das die Dinge sind, die die Familie am stärksten berühren. Wir versuchen einen Weg zu finden, der sowohl die Aspekte der Sicherheit berücksichtigt als auch die Bedürfnisse, die man als Familie hat, wenn man locker und entspannt sein will. Das schulde ich meiner Familie, aber ich schulde ihr auch, dass ich sie keinem Risiko aussetze. Da fühle ich mich sehr gut beraten durch die Sicherheitsorgane.

Sie haben den Vorsitz der Fritz-Walter-Stiftung übernommen, der traditionell beim Innenminister ist. Werden Sie diese Aufgabe als Ministerpräsident beibehalten?
Ja, das habe ich vor. Fritz Walter ist der einzige Ehrenbürger des Landes Rheinland-Pfalz. Er ist der Held von Bern, er ist eine rheinland-pfälzische Persönlichkeit. Für mich ist es eine Ehre, Vorsitzender der Landesstiftung zu sein.

Zur Person

Als der Südpfälzer SPD-Politiker Alexander Schweitzer (50) 2021 Minister für Soziales, Arbeit, Transformation und Digitalisierung wurde, war dies bereits die zweite Berufung durch die scheidende Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Schon 2013 hatte sie ihn zu ihrem Nachfolger als Sozialminister gemacht, bevor er 2014 an die Spitze der SPD-Landtagsfraktion rückte. Sein erstes Staatsamt verlieh ihm noch Dreyers Vorgänger Kurt Beck (SPD). Er berief ihn 2009 zum Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Drei Jahre zuvor, 2006, kam Schweitzer erstmals in den Landtag in Mainz. In der SPD ist Schweitzer seit 1989, 2011 bis 2013 war er Generalsekretär und Geschäftsführer der Landes-SPD und seit zehn Jahren führt er den Regionalverband Pfalz seiner Partei, er ist stellvertretender Landesvorsitzender und Mitglied des SPD-Bundesvorstands. Schweitzer studierte Jura in Mainz bis zum ersten Staatsexamen und war unter anderem Projektleiter bei einem Transferzentrum in Heidelberg. Schweitzer ist verheiratet und hat drei Kinder.

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