Propaganda Die angebliche Nazi-Verwandtschaft deutscher Politiker

In sozialen Netzwerken kursieren auch Fotomontagen, die Kanzler Scholz (links) und Finanzminister Lindner in die Nähe von Nazigr
In sozialen Netzwerken kursieren auch Fotomontagen, die Kanzler Scholz (links) und Finanzminister Lindner in die Nähe von Nazigrößen rücken.

Russland verbreitet in seiner Propaganda die Lüge, die Ukraine werde von Nazis beherrscht. In sozialen Medien versuchen einige, mit dieser Masche auch deutsche Politiker zu verunglimpfen. Um darauf hinzudeuten, dass auch der Rest Europas mit „Nazis“ verseucht sei?

Auf Bildkombinationen, die in den sozialen Netzwerken im Internet kursieren, sind zum Beispiel Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) oder Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) neben Mitgliedern der SS zu sehen. Die SS, das war in der NS-Zeit die „Schutzstaffel“, Adolf Hitler treu ergeben. Behauptet wird nun, die abgebildeten Nationalsozialisten seien die Großväter der heutigen Politiker.

Das Ziel der verbreiteten Bilder sei nicht nur, Politiker zu diskreditieren. Es gehe auch darum, die Argumentation zu stützen, mit der Moskau seinen Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen versuche, sagt der Politikwissenschaftler Josef Holnburger dazu. Er ist einer der Geschäftsführer des Cemas (Centers für Monitoring, Analyse und Strategie) in Berlin, das in sozialen Medien unter anderem Radikalisierungstendenzen und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen beobachtet.

Kriegspropaganda weitergedreht

Massiv verbreitet wurden die oben erwähnte Bildkombinationen über den Messengerdienst Telegram. Alleine auf einem pro-russischen deutschsprachigen Kanal wurde die Kombo fast 290.000 Mal aufgerufen. Damit werde die Kriegspropaganda der russischen Regierung aufgegriffen und sogar weitergedreht, so der Politikwissenschaftler. Mit der unterschwelligen Botschaft: Eine „Entnazifizierung“ müsse nicht nur in der Ukraine, sondern in ganz Europa erfolgen.

Der Urheber der Bilder hat wohl über ähnlich klingende Namen eine vermeintliche Verbindung zwischen deutschen Politikern und NS-Führungspersonen herstellen wollen. Beispiel Karl Lauterbach: Dem Gesundheitsminister wird in sozialen Netzwerken nachgesagt, sein Großvater sei in der SS gewesen. „Das ist aber nicht sein Großvater“, sagt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums dazu. Auf dem Bild neben dem Gesundheitsminister ist Hartmann Lauterbacher zu sehen, Stabsführer und stellvertretender Reichsjugendführer der Hitler-Jugend.

Überhaupt nicht verwandt

Beispiel Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): Eine Bildkombination zeigt eine ältere Aufnahme, in der der heutige Minister neben Gerhard Lindner steht. Der war im Zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht und im Führungsstab einer SS-Division tätig. Er wird in den konstruierten Bildern als Großvater des FDP-Politikers dargestellt. Ein Sprecher des Ministeriums sagt dazu auf Anfrage, dass die beiden nicht verwandt seien und es sich um Falschinformationen handele.

Auch Recherchen im Internet liefern keine Hinweise auf eine vermeintliche Verwandtschaft. Gerhard Lindner wurde 1896 in Bautzen (Sachsen) geboren und starb 1982 im niedersächsischen Aurich. Christian Lindner kam am 7. Januar 1979 in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) zur Welt, wo seine Großeltern väterlicherseits eine Bäckerei hatten.

„Völliger Unsinn“

Olaf Scholz: Der Bundeskanzler ist in einer Bildkombination zusammen mit Fritz von Scholz zu sehen, Generalleutnant der Waffen-SS. Auf Anfrage, ob dieser der Großvater von Olaf Scholz sei, teilte das Bundespresseamt mit: „Das ist völliger Unsinn.“

Aus Unterlagen im Bundesarchiv geht zudem hervor: Fritz von Scholz starb am 28. Juli 1944 und hinterließ keine Kinder. Er wurde in Pilsen (heute in Tschechien) geboren und lebte am österreichischen Wörthersee. Die Großeltern von Olaf Scholz stammen hingegen aus Hamburg und waren Eisenbahnbeamte.

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