Leitartikel Die Deutsche Bahn verkauft ihr Tafelsilber

Die Logistiktochter DB Schenker hat viel zum Konzerngewinn beigetragen.
Die Logistiktochter DB Schenker hat viel zum Konzerngewinn beigetragen.

Dass die Deutsche Bahn (DB) sich von der Logistiktochter Schenker trennt, ist ein tiefer Einschnitt in der Geschichte des DB-Konzerns. Der Verkauf erfolgt aus der Not heraus. Künftig wird es schwerer, schwarze Zahlen zu schreiben.

„Warum kaufen wir Schenker dann nicht einfach wieder?“, fragte der vom Druckmaschinenhersteller Heidelberg an die Spitze der Deutschen Bahn (DB) gewechselte Hartmut Mehdorn, als man ihm bald nach seinem Amtsantritt Ende 1999 erklärte, welch großer Fehler der Deutschen Bundesbahn es war, die Spedition Schenker 1991 zu verkaufen. Die Deutsche Bundesbahn hatte Schenker 1949 bei ihrer Gründung von der Deutschen Reichsbahn geerbt, zu der Schenker seit 1931 gehörte. Mehdorn schritt schnell zur Tat und 2002 übernahm die DB die (zwischenzeitliche) Schenker-Mutter Stinnes AG.

Da die Einschätzung weit verbreitet war, dass die Bundesbahn einen Fehler gemacht hatte, als sie Schenker 1991 verkaufte, stieß der Kauf durch Mehdorns DB AG 2002 kaum auf Kritik. Auch der Preis, den die DB damals zahlte, galt als korrekt. Mit der Transaktion verband sich nicht zuletzt die Hoffnung, dass es dank der Logistiktochter, insbesondere ihres Vertriebsnetzes, besser gelingen könnte, zusätzliche Transporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Diese Hoffnung erfüllte sich dann allerdings später nur in relativ bescheidenem Umfang.

Mehdorn-Eskapaden abseits des Schienenverkehrs

Auch aus anderen Gründen gab es dann doch zunehmende Kritik. Mehdorn orientierte sich mehr und mehr an der Vision, aus der DB einen börsennotierten, global aktiven Logistikkonzern zu machen. Höhepunkt von Mehdorns Eskapaden abseits des Schienenverkehrs waren dann seine letztlich gescheiterten Pläne, den Hamburger Hafen zu kaufen und den Berliner Flughafen Tempelhof zu betreiben.

Nicht zuletzt wegen Mehdorns Visionen verbreitete sich nicht nur bei vielen Gegnern der DB das Bild des Logistikriesen, der über seinen globalen Ambitionen seinen Heimatmarkt vernachlässigt. In dieses Bild passte auch, dass Mehdorns Nachfolger Rüdiger Grube 2010 den international aktiven britischen Verkehrskonzern Arriva kaufte, mit dem die DB Aktivitäten auf den Nahverkehrsmärkten zahlreicher Länder übernahm.

Feindbild DB-Konzern teilweise falsch

Zum Feindbild DB-Konzern gehörte die Behauptung, dass der Konzern in Deutschland verdientes Geld für fragwürdige Auslandsaktivitäten verjubelte. Diese Behauptung hat für Arriva einen wahren Kern. 2010 hatte Grube einen viel zu hohen Preis bezahlt, und als sich die DB schließlich in Etappen von Arriva trennte, ergaben sich hohe Wertberichtigungen in der Bilanz, die sich nicht nur durch die unvorhersehbaren Sonderfaktoren Corona-Pandemie und Brexit erklärten.

Völlig falsch ist dieses Bild dagegen in puncto Schenker. 2002 zahlte Mehdorn einen angemessenen Preis und seitdem hat Schenker stets ansehnliche Beiträge zum Konzerngewinn geleistet, war in den vergangenen Jahren sogar oft die einzige wirklich profitable Sparte, während die Schienengüterverkehr-Sparte DB Cargo seit 2015 rote Zahlen schreibt.

Der Verkauf von Schenker erfolgt nun aus der Not der vor allem seit der Corona-Krise wachsenden Verschuldung des DB-Konzerns heraus. Das bedeutetet nicht nur den Abschied vom Mehdorn-Logistikkonzern. Gravierender dürfte sein, dass es für die DB AG ohne die Ertragsperle Schenker künftig deutlich schwieriger wird, schwarze Zahlen zu schreiben. Das ist eher keine gute Nachricht für die Kunden der DB.

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