Meinung Die Europäische Union schlafwandelt
In der Ukraine tobt ein Krieg, der Frieden und Freiheit in Europa bedroht. Im Nahen Osten könnte der Konflikt zum gefährlichen Flächenbrand eskalieren, und in den USA steht eine Wahl an, die schwerwiegende Folgen für die Weltpolitik haben könnte. Doch die alarmierende Realität scheint die Europäische Union nicht zu beunruhigen.
In Brüssel nimmt der politische Trott seinen seit Jahrzehnten eingeübten Ablauf. Im Juni wurde ein neues Parlament gewählt, dann ging es in die Sommerpause und erst jetzt – fünf Monate danach – beginnt das Auswahlverfahren für die Kommissare. Die können frühestens im Dezember die „Regierung Europas“ bilden, wahrscheinlich wird es aber noch später.
Natürlich ist die alte Kommission noch im Amt, doch wer in der Weltpolitik nimmt Politiker ernst, die eigentlich schon in Rente sind? EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wurde immerhin schon im Juli bestätigt. Sie hätte zumindest die neue Außenbeauftragte Kaja Kallas früher ins Amt einsetzen sollen. Sie war von Anfang an die unbestrittene Nachfolgerin von Josep Borrell.
Will die Union in diesen Zeiten der multiplen Krisen überleben, muss sie beweisen, dass sie im entscheidenden Augenblick flexibel reagieren kann. Im Moment scheint es eher so, dass die Welt untergehen könnte, in Brüssel würde es niemand bemerken, da das zuständige Personal gerade in Ausschusssitzungen vorstellig werden muss.