Meinung Die Europawahl kommt zur rechten Zeit

Das politische System der EUist nicht perfekt. Es brauchtdringend Korrekturen.
Das politische System der EUist nicht perfekt. Es brauchtdringend Korrekturen.

Kriege, Krisen und Konflikte: Die Welt ist im Dauerstress. Aber es hilft nicht, in Schockstarre zu verfallen.

Es gab eine Zeit – es ist noch nicht so lange her – da galten wir Deutschen als politikfaul. Das war zur Hochphase der Merkel-Jahre und gipfelte 2009 im Rekord-Desinteresse an der Europawahl. Deutlich weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten konnte sich damals dazu aufraffen, einen Stift zur Hand zu nehmen und ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel zu hinterlassen. Politiker und Zeitungskommentatoren waren entsetzt. Dabei belegten Studien, dass nur ein geringer Teil der Nichtwähler das politische System ablehnte. Die meisten Menschen sahen schlicht keinen Sinn darin, wählen zu gehen. Sie waren einigermaßen zufrieden – mit sich, der EU und der Politik im Allgemeinen. Die meisten von uns waren weggedämmert auf der Eckcouch der politischen Bequemlichkeit.

Heute sind wir längst in einer anderen Welt aufgewacht: Krieg in Europa, Krieg in Nahost, Millionen Menschen auf der Flucht, ein gefährlich überhitzter Planet – und im Herbst könnte erneut ein egomanischer Lügner ins Weiße Haus in Washington einziehen.

Corona hat großen Schaden angerichtet

Natürlich: Kriege und Krisen hat es immer schon gegeben. Doch leider täuscht der Eindruck nicht: Die Anzahl der Konflikte hat rasant zugenommen, zuletzt waren es weltweit 363, wie das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung dokumentierte. Für die Welt bedeutet das Dauerstress. Ein Zustand, der nicht ohne Folgen bleibt: Krankenkassen melden, dass psychische Beschwerden rasant zugenommen haben.

Hinzu kommt: Die Corona-Krise hat in unserer Gesellschaft großen Schaden angerichtet. Sie hat Gräben vertieft und die Menschen auseinandergetrieben. Für Populisten ist das ein idealer Nährboden: Sie nutzen die Spaltung und holen diejenigen mit markigen Parolen ab, die sich ausgegrenzt fühlen. Die Gefahr für die Demokratie besteht dabei nicht darin, dass Populisten oft andere Moralvorstellungen haben. Das muss eine Demokratie aushalten. Die meisten Populisten präsentieren sich als Demokratie-Freunde, in Wahrheit wollen sie diese aber abschaffen, wenn sie sagen: „Ich allein vertrete das Volk und jeder, der gegen mich ist, ist ein Volksverräter.“ Das sieht man an Donald Trump, das sieht man in Ungarn. Richter, die auf die Verfassung pochen, werden aussortiert, die Opposition gegängelt, kritische Journalisten bedroht.

Überall gibt es Kräfte, die unsere liberale Demokratie verachten

Die Europawahl am 9. Juni ist insofern eine Chance. Denn die Deutschen im Jahr 2024 sind nicht politikfaul. Wir diskutieren, wir streiten über Politik. Mit Nachbarn, mit Kollegen, mit der eigenen Familie. Und bei allen Differenzen: Wir machen uns Gedanken, wie Europa und die Welt wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen können.

„Es ist ein Fluch, in interessanten Zeiten zu leben“, hat die Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) treffend bemerkt. Arendt verstand diesen Fluch zeitlebens als Auftrag. Als Tochter jüdischer Eltern stellte sie sich im Dritten Reich gegen das Nazi-Regime, wurde mehrfach verhaftet, doch niemand brachte sie zum Schweigen.

Heute leben wir in einem demokratischen Deutschland. Aber überall in Europa gibt es Kräfte, die unsere liberale Demokratie verachten. Richtig ist: Das politische System der EU ist nicht perfekt, es braucht Korrekturen. Wir selbst indes können mit unserer Wahlentscheidung zu Korrekturen beitragen. Wir müssen dafür nur die Couch verlassen.

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