Meinung Die FDP zelebriert einen plumpen Liberalismus

Setzt mehr auf das „Dagegen-Sein“: FDP-Parteichef Christian Lindner.
Setzt mehr auf das »Dagegen-Sein«: FDP-Parteichef Christian Lindner.

Die Gründer der FDP wären entsetzt, wenn sie erleben müssten, wie der liberale Freiheitsbegriff in der Partei unter Führung von Christian Lindner auf den Hund gekommen ist.

Es ist schon erstaunlich, dass die FDP das Handeln der Ampelkoalition deutlich mehr prägt, als es das politische Gewicht der Partei hätte erwarten lassen. Gerade dieser Tage, da wieder drei Landtagswahlen anstehen, lässt die FDP täglich die Öffentlichkeit von neuen Vorschlägen und Warnungen wissen. Die Partei piesackt ihre Partner, indem sie das Geschäft der Opposition besorgt und damit beweist, wie groß die Verzweiflung über die eigenen Umfrageergebnisse wirklich ist.

Darüber vergessen die Liberalen, woher sie kommen und was sie eigentlich bewirken wollten. Einst setzte sich die liberale Bewegung edelmütig für mehr Rechte der unteren Schichten und gegen die Fürstenwillkür ein. Noch heute dominiert im Liberalismus die kritische Einstellung gegenüber dem Einfluss des Staates und gleichmachenden Gesellschaftsentwürfen. Richtig: Niemand mag vom Staat bevormundet werden. Wenn aber der liberale Leitspruch sich nicht erfüllt, dass jeder seines Glückes Schmied ist, ist das Wirken des Staates zuweilen die Rettung.

Falsch verstandener Liberalismusbegriff

Zum Beispiel, als es eine Finanzkrise gab, in der nach dem Kollaps der freien Märkte die Banken mit Steuergeldern gerettet werden mussten. Oder als es eine Corona-Pandemie gab, bei der nur Bund und Länder einen Kontrollverlust verhindern konnten. Oder als es eine Energiekrise nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gab, bei der die Regierung mit Milliarden Euro die Heiz- und Stromrechnungen der Deutschen entlastete.

Bei der FDP schwingt oft ein falsch verstandener Liberalismusbegriff mit, wenn von Freiheit die Rede ist. Wenn individuelle Freiheit gesellschaftliche Verantwortung ausblendet und nur der eigenen Optimierung dient, verkümmert der Liberalismus zum Egoismus. So ist der krampfhafte Versuch, den Kulturkampf ums Auto wiederzubeleben, indem das Billigparken in der City propagiert wird, nichts anderes als eine Anbiederung an die Masse der Autofahrer. Selbst dem ADAC blieb die Absurdität des Vorschlags nicht verborgen, hat doch der Käuferschwund im Einzelhandel nichts mit Parkplätzen vor dem Geschäft zu tun. Zudem ist das Konzept geradezu obszön vor dem Hintergrund, dass der eigene FDP-Verkehrsminister rein gar nichts zur Reduktion von CO 2 -Emissionen beigetragen hat und seinem gesetzlichen Auftrag zum Erreichen der Klimaziele in keiner Weise nachgekommen ist.

Die FDP war einmal die Partei der Optimisten

Vergessen haben die Liberalen den Ansatz, einen anderen Ton in die Politik zu bringen. Vor nicht allzu langer Zeit war die FDP die Partei der Optimisten, die Partei, die nicht verdrießlich, sondern mit Zuversicht und Pioniergeist in die Zukunft schreitet, die der „German Angst“ den „German Mut“ entgegensetzt. Das ist verloren gegangen. Dagegen pflegt die selbst ernannte Fortschrittspartei einen plumpen Strukturkonservatismus, der seinesgleichen sucht. Alles soll so bleiben, wie es ist: Kein Abschalten von Kernkraftwerken, kein Tempolimit, kein Abweichen von der veralteten Mechanik der Schuldenbremse, kein Verbrenner-Aus und bloß keinen Euro vermeintlich zu viel an Bürgergeldempfänger.

Der „mitfühlende Liberalismus“, den sich die FDP vor langer Zeit einmal verordnet hat, ist Geschichte. Es regiert in der FDP derzeit das übellaunige Dagegen-Sein.

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