Meinung Die Feinde der Freiheit bedrohen unsere Demokratie

Fröhliches Miteinander: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Ehefrau, Elke Büdenbender und die Ministerpräsidentin von
Fröhliches Miteinander: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Ehefrau, Elke Büdenbender und die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, unterhalten sich bei der Einheitsfeier in Schwerin mit Bürgern.

Wir müssen miteinander reden. Schließlich lebt eine freiheitliche Gesellschaft von Kompromissen. Wenn sich Demokraten den Willen dazu absprechen, stärkt das die Extremisten.

Früher waren die Verhältnisse im Bundestag übersichtlicher. Im Prinzip gab es drei Parteienfamilien, die in unterschiedlichen Konstellationen regierten. Das heißt aber nicht, dass es nicht zur Sache ging. Im Gegenteil. Ob über Westbindung oder Ostpolitik – es wurde leidenschaftlich gestritten, gekämpft und geschimpft. Wer sich Debatten aus den 60er und 70er Jahren anschaut, dürfte sich verwundert die Augen reiben, wie hart die Argumente aufeinander prallen. Im Wettstreit um die beste Politik muss man eben Widerspruch aushalten können.

Die Vorstellung der Bundesrepublik als nahezu konfliktfreier Konsensgesellschaft ist dagegen relativ neu. Möglicherweise haben die großen Koalitionen unter Angela Merkel eine Rolle dabei gespielt. Doch Debatten sind wichtig. Das Wesen einer freiheitlichen Demokratie besteht in zahllosen Kompromissen; immer wieder müssen unterschiedliche Ansichten ausverhandelt werden. Zwar hart in der Sache, durchaus im Konflikt, aber doch auf Grundlage von Fakten und menschlich im Umgang. Das ist kompliziert, anstrengend und braucht seine Zeit. Und es ist alternativlos.

Ständig neue unbewiesene Behauptungen

Meinungen sind dagegen keine geeignete Grundlage für Entscheidungen. Um Argumente austauschen zu können, muss man wissen, worüber man spricht. Es ist auch keine Debatte, wenn Extremisten von links und rechts ständig neue unbewiesene Behauptungen in die Welt setzen – bis niemand mehr unterscheiden kann, was wahr ist und was nicht. Das führt, wie wir gerade erleben, zu einer schier nicht enden wollenden Erregungsspirale.

Doch in diese Falle tappen die demokratischen Parteien ein ums andere Mal. Auch wir Medien tragen dazu bei. Viel zu schnell wird – getrieben von der Schnelligkeit des Internets – aus dem Ausloten von Kompromissen ein Streit.

Es stimmt schon: In der Gegenwart mangelt es an Sicherheit, für die Zukunft fehlen Visionen. Doch kann das ein Grund dafür sein, sich der Vergangenheit zuzuwenden, wie es die Kaderpartei BSW und die rechtspopulistische AfD propagieren? Dass diese Feinde der Freiheit letztlich zwei Seiten einer Medaille sind, vermag man daran zu erkennen, dass deren Annäherung bereits im Gange ist. Es gibt, das nebenbei bemerkt, keinen nachvollziehbaren Grund, eine von beiden Parteien zu wählen. Darüber kann man sich nur in Moskau freuen. Die Bundesrepublik jedenfalls ist mitnichten eine Quasi-Diktatur.

Haben wir verlernt, einander zuzuhören?

Etwas anderes scheint noch verloren gegangen zu sein: Wir haben offenbar verlernt, einander zuzuhören. Stattdessen regiert viel zu oft der Hass. Und das nicht nur an den politischen Rändern, sondern auch unter eigentlich aufrechten Demokraten. Trotz unterschiedlicher Ansichten über Ziele und Wege, war es lange unvorstellbar, politische Mitbewerber verächtlich zu machen, ihnen zu unterstellen, dass sie nicht das Beste für die Gesellschaft wollen. Das muss aufhören!

Klimakrise, Migration und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sind nur einige der Herausforderungen, auf die Antworten gefunden werden müssen. Doch Freiheit und Demokratie stehen über allem. Sie leben vom Mitmachen; ihre Kraft liegt in der Vielfalt. Nur so schaffen wir das!

Es ist dagegen ein anderes großes Missverständnis und Ausdruck einer unerklärlichen Anspruchshaltung, dass die Verantwortung dafür an der Wahlurne endet. Politiker mögen das Blaue vom Himmel versprechen, gewählt werden sie, damit sie die Zukunft gemeinsam mit den Wählerinnen und Wählern gestalten. Ganz sicher gibt es kein Recht, diejenigen zu beschimpfen, die sich fürs Gemeinwohl einsetzen.

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