Meinung Die Fußball-EM war kein Märchen, aber ein großes Fußballfest

Von Sieg zu Sieg wuchsen Euphorie und die Bereitschaft zum kollektiven Genuss.
Von Sieg zu Sieg wuchsen Euphorie und die Bereitschaft zum kollektiven Genuss.

Ein Sommermärchen 2.0 zu erwarten, war von Anfang an vermessen. Aber die Heim-EM 2024 war weit besser, als man ihr zutrauen konnte. Auf mehreren Ebenen.

Es liegt im Wesen von sportlichen Großveranstaltungen, dass der Ausrichter, der Gastgeber, der Verband hernach im Lob baden. Wer käme auch auf den Gedanken, sein Aushängeschild in irgendeiner Form kleinzureden, mit dem er zum Teil Milliarden verdient. Das schadet dem eigenen Portemonnaie, das schadet dem eigenen Image.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass vom Europäischen Fußballverband Uefa über Turnierdirektor Philipp Lahm bis hin zu Innenministerin Nancy Faeser alle irgendwie Beteiligten die viereinhalb Wochen Fußball auf deutschem Boden loben. Vielfach zu Recht, doch längst nicht überall zutreffend.

Die EM war sicher

Das Wichtigste: Viel war im Vorfeld über die Sicherheitslage fabuliert worden, über Bedrohungen und mögliche Vorfälle. Und was ist passiert? Nichts! Sieht man von einem Influencer ab, der sich als Maskottchen einschmuggelte, und zwei offenkundige Profilneurotiker, die in Dortmund das Stadiondach bestiegen, ist nichts passiert. Selbst Fan-Krawalle sind, gottlob, weitestgehend ausgeblieben. Die Ordnungskräfte haben hier vor Ort, aber auch an den Grenzen einen guten Job gemacht. Und jene, die nur zu gerne die Bevölkerung verunsichern, um zu spalten, sind damit auf die Nase gefallen.

Wer keinen guten Job gemacht hat, das waren die Deutsche Bahn und der Öffentliche Personennahverkehr. Natürlich wissen wir alle aus täglicher Erfahrung, aus täglichem Ärger, dass da Vieles im Argen liegt – weil die Infrastruktur seit Jahren vernachlässigt worden ist. Aber die EM wirkte wie ein Katalysator, machte sogar dem Ausland offenkundig, wie peinlich mies es um das Transportwesen in Deutschland bestellt ist. Die schonungslose Offenlegung der Defizite könnte – das ist die Hoffnung – nun dazu führen, dass leere Worte ein Ende haben und die Mängelbeseitigung ernsthaft angegangen wird.

Die deutsche Mannschaft hat begeistert

Das gesellschaftlich noch weitaus größere Problem hat aber zumindest in Teilen eine Heilung erfahren. Die deutsche Mannschaft – vor Monaten noch ein Trümmerhaufen, dessen frühes Ausscheiden bei der EM für viele gesetzt war – hat trotz des unglücklichen Scheiterns im Viertelfinale vom ersten Spiel an weit besser agiert als erwartet. Die Folge: Von Sieg zu Sieg wuchsen Euphorie und die Bereitschaft zum kollektiven Genuss. Wir sind wieder wer – und sei es nur im Fußball –, präsentierten uns zudem als gute, freundliche Gastgeber. Das tut gut nach Monaten und Jahren, in denen vielfach der Eindruck entstanden ist, von interessierter Seite auch bewusst geschürt wurde, es gehe mit Deutschland nur noch bergab.

Sicher: Um das Glücksgefühl zu vervollständigen, hätte es entweder des Titels oder eines dem 7:1 in Brasilien 2014 halbwegs vergleichbaren Spiels bedurft. Doch der Weg bis ins Viertelfinale hat in das viele Grau endlich auch mal wieder Farbtupfer gesprenkelt. Das deutsche Team hat den Menschen vermittelt, dass es sehr wohl möglich ist, mit Teamgeist, Zusammenhalt, Optimismus und Mut zu radikalen Schritten aus einer Lage am Boden zurück in die Aufrechte zu gelangen.

Der Fußball hat den ersten Schritt getan. Jetzt sind Politik, Wirtschaft und jeder Bürger gefordert, den Weg weiterzugehen. Dann wäre die EM 2024 doch irgendwie eine Art Sommermärchen gewesen.

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Foto: Imago Images/Beautiful Sports

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