Politik Die Revolte ist vorerst abgesagt

Es war nicht der „Münchner im Himmel“, der dem bayerischen Bundesminister Seehofer göttliche Ratschläge übermittelte. Dass dieser in der Causa Maaßen ein Einsehen hatte, ist keineswegs auf die Eingebung von ganz oben zurückzuführen, schließlich hockt der Engel Aloisius mit seiner himmlischen Botschaft immer noch im Hofbräuhaus. Die Entscheidung vom Wochenende hatte ganz irdische Dimensionen.

Es war der einfache Bürger, der nach Maaßens ursprünglich geplanter Beförderung zum Staatssekretär keineswegs Hosianna rief, sondern „Himmi, Hergott, Saggrament“, so wie einst der Dienstmann Alois Hingerl in Ludwig Thomas humoristischer Satire „Ein Münchner im Himmel“. Über die Parteigrenzen hinweg mussten sich die Koalitionäre wüste Kritik an ihrem Kompromiss anhören, den sie vorige Woche nach einer nächtlichen Runde im Kanzleramt geschlossen hatten. „Wir haben uns alle drei geirrt“, preschte am Freitag als Erste SPD-Chefin Andrea Nahles vor – mit gutem Grund: Sie hatte bei den Genossen einen Sturm der Entrüstung entfacht, nicht nur wegen der von ihr mitgetragenen Beförderung Maaßens, sondern auch wegen des Umstands, dass ein SPD-Staatssekretär für ihn hätte Platz machen müssen. Doch auch in der Union hatte es rumort, was weder der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel noch dem CSU-Chef Horst Seehofer entgangen war. Von Politikversagen sprachen Unionsanhänger, von einer Entscheidung, die niemand verstehen könne, weil ein offensichtlich gescheiterter Behördenchef auch noch belohnt werde. Das muss so laut in den Ohren der Unionspolitiker gedröhnt haben, dass Merkel gestern etwas tat, was sie in dieser Deutlichkeit noch nie getan hat: Sie räumte einen Fehler ein, nicht verschwurbelt formuliert, sondern deutlich und klar: Sie habe „zu wenig an das gedacht, was die Menschen zu Recht bewegt, wenn sie von einer Beförderung hören. Und dass das geschehen konnte, das bedauere ich sehr.“ Zuvor hatte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbaucer von „unmissverständlichen“ Rückmeldungen aus ihrer Partei gesprochen. Bei der SPD hört man über die Wende im Fall Maaßen zwar kein Frohlocken, doch man spürt eine gewisse Zufriedenheit. Maaßen zum „Sonderbeauftragen“ im Innenministerium zu machen, sei „akzeptabel“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Kingbeil nach einer Vorstandssitzung. Er griff damit eine Wortwahl der Parteilinken auf, was offenbar belegen soll, dass der innerparteiliche Streit beigelegt ist. Boris Pistorius, SPD-Innenminister von Niedersachsen, wirkte beim Verlassen des Willy-Brandt-Hauses erleichtert. „Ich will mal wieder über Sachthemen reden. Die Causa Maaßen ist jetzt gegessen.“ Die Revolte gegen Chefin Nahles ist in der SPD abgesagt, vorerst jedenfalls. Die Parteivorsitzende geht angeschlagen aus der Affäre, ihr Amt hat sie in allerletzter Minute gerettet. CSU-Chef Seehofer hielt sich gestern mit Statements zurück. Ungeklärt bleibt daher Seehofers Aussage, die jetzt gefundene Lösung hätte man auch schon letzte Woche haben können, da er den Vorschlag „Sonderberater“ als eine von drei Optionen schon beim ersten Treffen am Dienstag angeboten habe. Die SPD dementiert vehement: Das stimme nicht, Seehofer habe Erinnerungslücken. So viel zum Binnenklima der Koalition. Seehofers Sprecherin wurde gestern gefragt, warum denn nun für Maaßen das Amt eines „Sonderberaters“ habe neu geschaffen werden müssen. Sie sagte: „Dieses Amt ist schon durchaus von Nöten.“ Dass dies eine überzeugend starke Argumentation für die Anschlussverwendung des derzeit noch amtierenden Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes ist, mag bezweifelt werden. Nüchtern betrachtet beschreibt der Satz nichts anderes als die schiere Not, einen „Sonderberater“ zu erfinden, dessen Existenz mitnichten dringlich war – aber doch notwendig, um die Koalition zu retten. Maaßen wird demnach direkt dem Minister unterstellt im Range eines Abteilungsleiters, und zwar in Maaßens bisheriger Gehaltsstufe B 9. Nötige Mitarbeiter werden von anderen Stellen im Hause abgezogen. Und die Opposition? Sie hat einmal mehr die große Koalition abgeschrieben. FDP-Chef Christian Lindner macht die Kanzlerin verantwortlich und geht sie ungewohnt scharf an: „Frau Merkel ist politisch erschöpft, Frau Merkel hat fertig. (...) Unter ihrer Führung ist kein Aufbruch möglich.“ Vielleicht ist es ja die Kanzlerin, die auf göttliche Ratschläge wartet.

x