Politik Doppelter Parteichef und noch immer in Bewegung

Er ist der einzige bundesdeutsche Politiker, der Vorsitzender von gleich zwei Parteien war: Morgen wird Oskar Lafontaine 75 Jahre alt.

Auf eines können sich viele Sozialdemokraten und Linke wie auch die meisten Anhänger anderer Parteien wohl einigen: Am St. Johanner Markt in Saarbrücken zu sitzen, durch die Gassen zu schlendern und dabei das saarländisch-französische Flair zu genießen, das hat was. Es war Oskar Lafontaine, der in den 70er Jahren als Oberbürgermeister der saarländischen Landeshauptstadt dafür sorgte, dass aus der früheren Verkehrsader eine Fußgängerzone wurde. Aber den in Saarlouis geborenen Lafontaine hielt es nicht bei Stadtentwicklung und anderen kommunalpolitischen Themen. Seine 14 Jahre als Saar-Ministerpräsident trugen ihm den Beinamen „Napoleon von der Saar“ ein – was ebenso anerkennend wie spöttisch gemeint war. Denn Lafontaine brachte mit, was ein Politiker braucht: Intelligenz, rednerische Begabung und die Freude am – mitunter auch polemischen – Streit. Wobei der ehemalige Jesuiten-Schüler und diplomierte Physiker nicht nur dem politischen Gegner zusetzte. Das bekam etwa SPD-Kanzler Helmut Schmidt in der parteiinternen Auseinandersetzung über den Umgang mit der Friedensbewegung, der Lafontaine angehörte, zu spüren. Der 1990 gescheiterten Kanzlerkandidatur – im Wahlkampf wurde Lafontaine von einer geistig verwirrten Frau schwer verletzt – folgte der Aufstieg zum SPD-Vorsitzenden. Seine Wahl auf dem Mannheimer Parteitag 1995, als er Amtsinhaber Rudolf Scharping ausbootete, war ebenso spektakulär wie sein Abgang vom Parteiamt vier Jahre später, als er zudem als Finanzminister der Regierung Schröder hinschmiss. Dann tat Lafontaine etwas, was ihm viele Sozialdemokraten bis heute nicht verziehen haben und was das Verhältnis SPD-Linke dauerhaft belastet: Im Kampf gegen die von ihm gegeißelten Hartz-Reformen der Regierung Schröder verließ er nach 39 Jahren die SPD, trat der WASG bei. Aus ihr und der PDS ging später die Linkspartei hervor. Damit nicht genug, zog Lafontaine für die Linke in den Bundestag ein, wurde 2007 deren Vorsitzender. Zwei Jahre später zog er sich, auch krankheitsbedingt, aus der Bundespolitik zurück, führt seitdem die Links-Fraktion im Saar-Landtag an. Wirklich ruhiger ist es um Lafontaine, der auch zahlreiche Bücher geschrieben hat, nicht geworden, „der Oskar“ polarisiert bis heute. Jüngstes Beispiel ist die von seiner vierten Frau Sahra Wagenknecht und ihm initiierte Bewegung „Aufstehen“, die, als Sammelbecken der Linken gedacht, bei SPD, Grünen und auch in seiner eigenen Partei auf viel Skepsis stößt. Den Ruf, mehr zu spalten denn zusammenzuführen, wird er wohl nicht mehr los.

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