Politik Ein Rauswurf auf besonders würdelose Art

Eine Amtszeit als FBI-Chef dauert eigentlich zehn Jahre. Comey wurde jetzt nach nur drei Jahren gefeuert.
Eine Amtszeit als FBI-Chef dauert eigentlich zehn Jahre. Comey wurde jetzt nach nur drei Jahren gefeuert.

Die Entlassung von FBI-Chef James Comey durch US-Präsident Donald Trump erschüttert Washington und lässt die Spekulationen über die Motive ins Kraut schießen.

Was das für ein Donnerschlag war, der da dröhnte, illustrieren allein schon die Umstände. James Comey hatte Washington offenbar nichts ahnend verlassen, um in Los Angeles mit FBI-Agenten zu tagen. Von seiner Entlassung, so schildern es Anwesende, erfuhr er aus den Fernsehnachrichten. Eine Rede, die er am Abend in Hollywood halten sollte, um Rekruten für die Bundespolizei zu werben, sagte er kurzerhand ab, bevor er an Bord eines Privatjets zurück in die Hauptstadt flog. Es ist nicht nur die würdelose Art, mit der Trump den FBI-Direktor feuerte, die ihre Schockwirkung entfaltet. Ebenso ist es die Begründung. Er wisse zu schätzen, dass ihm Comey gleich drei Mal mitgeteilt habe, dass gegen ihn, Trump, nicht ermittelt werde, schrieb der Präsident in einem Brief. Dennoch schließe er sich dem Urteil seines Justizressorts an, „dass Sie nicht in der Lage sind, das Büro effektiv zu führen“. Die Details lieferte Rod J. Rosenstein, seit Kurzem Vize-Justizminister. Comey habe dem Ansehen des FBI erheblich geschadet, schreibt er und verweist auf die Ermittlungen gegen Hillary Clinton, die als Außenministerin auch dienstliche E-Mails über einen in ihrem Privathaus installierten Server laufen ließ. Er habe falsch gehandelt, als er am 5. Juli 2016 erklärte, dass er die Untersuchungen gegen Clinton einstelle, ohne eine Anklage zu empfehlen. Kritische Worte fand Rosenstein aber auch zu Comeys Entscheidung, dem US-Kongress elf Tage vor der Präsidentschaftswahl am 8. November zu eröffnen, dass er den Fall noch einmal aufrolle. Auf einem Laptop Anthony Weiners, des geschiedenen Mannes der Clinton-Vertrauten Huma Abedin, hatten Detektive weitere E-Mails aus dem Fundus der ehemaligen Chefdiplomatin entdeckt. Dass es Comey für nötig hielt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, nimmt ihm Hillary Clinton bis heute übel. Hätte der FBI-Chef nicht interveniert, davon ist sie fest überzeugt, säße sie heute im Oval Office. Trump wiederum hatte im Sommer zwar noch in populistischer Entrüstung von Manipulationen gesprochen, im Herbst aber klang er ganz anders, da lobte er Comey für seinen Mut. Schon deshalb nimmt praktisch niemand für bare Münze, was sein Kabinett nun an Argumenten anführt. Dass ausgerechnet Trump Krokodilstränen über das Schicksal seiner Kontrahentin vergieße, es sei einfach zu absurd, um es zu glauben, lautet der Tenor bei den Demokraten. So vorsichtig sich die meisten Republikaner zur Stunde noch äußern, auch aus ihrem Lager wird Widerspruch laut. Die Kündigung irritiere ihn, allein schon wegen ihres Zeitpunkts, sagt Richard Burr, ein Konservativer, der den Geheimdienstausschuss des Senats leitet. Seit Wochen ließ Comey ermitteln, ob etwas dran ist an den Vorwürfen, nach denen das Wahlkampfteam Trumps mit dem Kreml kooperiert haben soll, um Clinton zu schaden, etwa durch Hackerangriffe. Kein Wunder, dass nach seinem Abgang die Spekulationen ins Kraut schießen. Verfolgte er eine heiße Spur? Witterte Trump Gefahr für sich selbst oder zumindest für sein enges Umfeld? Der baumlange Jurist – ein Republikaner übrigens – gilt als unabhängiger Kopf, bisweilen unglücklich agierend, aber nicht leicht zu verbiegen. Als Barack Obama ihn vor vier Jahren ernannte, erinnerte er an ein Kapitel, bei dem Comey unter immensem Druck Rückgrat bewies. An eine Episode aus der Zeit, als George W. Bush massiv in die Privatsphäre vieler Amerikaner eingriff. Justizminister John Ashcroft lag nach einer Gallenoperation geschwächt in einem Krankenhausbett, wo ihm zwei Abgesandte der Machtzentrale eine Unterschrift abringen wollten. Der Patient sollte die Überwachung von Telefonen und Internetanschlüssen absegnen, doch Comey fuhr Bushs Emissären in die Parade. Damals Ashcrofts Stellvertreter, eilte er in die Klinik, um das Manöver zu vereiteln. Dass Trump Comey schon jetzt ablöst, noch vor Halbzeit einer zehnjährigen Amtszeit, unterstreicht nur, welches Drama gerade über die Bühne geht. Kritiker des Präsidenten vergleichen es mit dem, was als „Samstagabend-Massaker“ in die Annalen einging. Im Herbst 1973 forderte der damalige Präsident Richard Nixon seinen Justizminister auf, den Harvard-Professor Archibald Cox zu feuern, den Sonderermittler, der die Watergate-Affäre aufklären sollte. Sowohl der Minister als auch dessen Vize weigerten sich, sodass sie an einem Wochenende im Oktober zurücktraten. Nun, so sehen es zumindest die Demokraten, setzt Trump dem Mann den Stuhl vor die Tür, der einem zweiten Watergate-Skandal auf den Grund gehen sollte. Was man jetzt brauche, sagt Chuck Schumer, ihr ranghöchster Senator, sei ein Sonderermittler in Sachen Russland-Connection. Auch Republikaner-Senator John McCain sieht es so. Hingegen winkte der Fraktionschef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, ab. Ihn hatte Trump noch angerufen, bevor die Nachricht von Comeys Entlassung bekanntgegeben wurde.

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