Meinung Extrem rechte Parteien: Das Gift der Nationalisten

Fast jeder dritte Wähler gab bei den franzöischen Parlamentswahlen dem Rassemblement National von Marine Le Pen seine Stimme.
Fast jeder dritte Wähler gab bei den franzöischen Parlamentswahlen dem Rassemblement National von Marine Le Pen seine Stimme.

Der Aufstieg der extremen Rechten kann verhindert werden. Die Demokraten müssen zusammenstehen und ehrliche Antworten auf die zentralen Herausforderungen liefern.

Ein Blick nach Skandinavien kann beruhigend wirken. Die extrem-rechten Parteien sind in Finnland, Dänemark und Schweden bei der Europawahl eingebrochen. Die linken Parteien dort konnten ihre Erfolge kaum fassen, denn im großen Rest Europas feiert ein kruder Nationalismus seine Rückkehr.

Wie ein Hoffnungsschimmer erscheint auch die Entwicklung in Frankreich. Dort hat ein linkes Bündnis bei den Parlamentswahlen den erwarteten Erfolg der rechtsextremen Marine Le Pen verhindert. Das war eine Sensation, sie wurde von Europas Demokraten euphorisch gefeiert, es ist in Wirklichkeit aber ein Pyrrhussieg. Denn die Rechtsextremen wurden lediglich über ein wahltaktisches Manöver der Linken ausgebremst. Tatsache ist, dass in Frankreich fast jeder dritte Wähler Marine Le Pen seine Stimme gegeben hat. Das ist keine guten Nachricht für die Präsidentenwahl 2027.

Parteien der Mitte lassen sich vor den Karren der Rechten spannen

Aus den Ergebnissen in Skandinavien und Frankreich lassen sich aber einige Lehren ziehen. Die extrem-rechten Kräfte sind besiegbar, wenn die Demokraten im entscheidenden Augenblick an einem Strang ziehen. Ihre meist holen Parolen können entzaubert werden, wenn man sie inhaltlich stellt und sich nicht von ihnen die Themen der Auseinandersetzung aufzwingen lässt. So war im Wahlkampf in Schweden der Kampf gegen den Klimawandel ein Schwerpunkt. Zur gleichen Zeit wurde in Deutschland und vielen anderen Staaten auf Druck der Rechten die Migration als nationale Schicksalsfrage diskutiert – erfolgreich waren dabei die extremen Kräfte.

Zu viele Parteien der demokratischen Mitte lassen sich vor den Karren der Rechten spannen. Denn auch sie arbeiten immer häufiger mit der Polarisierung von Themen, was am Ende nur den extremen Kräften nutzt. Natürlich lebt Politik von der Zuspitzung und Vereinfachung. Doch die Gefahr in vielen Debatten ist groß, dass Inhalte zur Nebensache und vor allem Parolen wiederholt werden. Wie die offene Kommunikation stirbt, ist jeden Abend in Talkshows zu beobachten, die vor allem auf quotenbringenden Krawall ausgelegt sind.

Drängende Fragen brauchen ehrliche Antworten

Auch im Europaparlament werden die immer selbstbewusster auftretenden extremen Rechten versuchen, den Demokraten ihre Themen aufzuzwingen. Die neu gegründete Fraktion der „Patrioten für Europa“ um Viktor Orban und Marine Le Pen ist zur drittstärksten Kraft geworden. Deren Abgeordnete werden ihre Redezeit und den neu gewonnen Einfluss nutzen, die Öffentlichkeit mit ihrem nationalistischen Gift zu überziehen. Für die großen Herausforderungen der Zukunft können sie aber keine Lösungen bieten. Weder haben sie eine intelligente Migrationspolitik noch einen fortschrittlichen Ansatz im Kampf gegen den Klimawandel im Angebot.

Das ist die Chance der demokratischen Parteien. Auf drängende Fragen müssen sie ehrliche Antworten finden und danach handeln. Die Menschen sind bereit, gewisse Zumutungen in Kauf zu nehmen, wenn sie den Mehrwert erkennen. Frankreich könnte so zum demokratischen Experimentierfeld werden. Im Moment sieht es aber danach aus, dass dort die Betonköpfe die Oberhand behalten und das Land unregierbar wird. Marine Le Pen kann der Selbstzerstörung der Demokraten in aller Ruhe zusehen.

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