Leitartikel Flüchtlinge werden auch als Waffe eingesetzt

Ukrainische Flüchtlinge im März 2022.
Ukrainische Flüchtlinge im März 2022.

Kriegsfürsten wie Wladimir Putin in Russland destabilisieren durch Flüchtlingsströme, die sie selbst mitverursachen, nicht nur ihre direkten militärischen Gegner. Sie setzen damit auch andere Staaten unter Druck.

Kriege und Konflikte dominieren unsere Welt. Die vielen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten, vor allem aber innerhalb von Staaten, werden zum Normalzustand. Und sie wollen nicht enden. Ob in Syrien an, in der Ukraine, im Sudan, in Myanmar oder Nahost.

Alle diese Waffengänge haben große Teile der jeweiligen Zivilbevölkerung in die Flucht gezwungen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) hat beispielsweise ein Sechstel der Ukrainerinnen und Ukrainer ihre von Russland attackierte Heimat inzwischen verlassen. Mittlerweile befinden sich den UN zufolge rund um den Globus 120 Millionen Menschen auf der Flucht. Dies ist ein neuer, ein trauriger Höchststand.

Die Aufrufe verhallen

Jahr für Jahr, pünktlich zum Weltflüchtlingstag am Donnerstag, appellieren die Vereinten Nationen an die Vernunft der Regierenden im Umgang mit Gewalt. Richtig ist zwar: Kluge Politik könnte Kriege im Keim ersticken und somit eine weitere Eskalation der globalen Flüchtlingskrise verhindern. Doch die Realität sieht anders aus. In der harschen Wirklichkeit verhallen die Aufrufe der Vereinten Nationen ungehört. Gewissenlose Herrscher wie Russlands Wladimir Putin scheren sich keinen Deut um ein gedeihliches Miteinander. Denn Gewalt ist ihr Geschäft, davon profitieren sie und ihr Herrschaftsanspruch.

Die Kriegstreiber setzen dabei Flüchtlinge in äußerst perfider Weise als Waffe ein. So hat der enorme Exodus aus der Ukraine das angegriffene Land moralisch, wirtschaftlich, sozial und demografisch enorm geschwächt. Was es leichter zur Beute macht. Gleichzeitig sind die Auswirkungen eines solchen Flüchtlingstrecks noch viel größer – auch die Auswirkungen der vielen innerstaatlichen Bürgerkriege, bei denen ebenfalls viele Tausende Menschen ihr Land verlassen.

Als Bedrohung empfunden

Millionen Geflohener haben in den friedlichen europäischen Staaten Schutz gefunden. Doch die Aufnahmekapazitäten vieler Länder sind erschöpft oder sie nähern sich ihren Grenzen. Die einheimische Bevölkerung empfindet die Neuankömmlinge aus den Krisengebieten inzwischen eher als Bedrohung denn als Bereicherung. Extreme Parteien, zumal auf der rechten Seite, schlagen aus diesem Gefühl Kapital. Die Feinde der demokratisch regierten europäischen Länder beobachten diese Entwicklung mit Hohn und Schadenfreude.

Die unbequeme Wahrheit lautet: Aggressoren wie Wladimir Putin destabilisieren durch Flüchtlingsströme, die sie selbst mitverursachen, nicht nur ihre direkten militärischen Gegner, sie treffen auch andere, ihnen missliebige Staaten empfindlich. Besonders deutlich zeigt sich das, wenn in Russland oder in Belarus eigens Flüchtlinge an die Grenze zu den europäischen Nachbarländer gekarrt werden.

Wegschauen ist keine Alternative

Die Konflikte Afrikas, Asiens und Osteuropas sind immer auch die Konflikte der europäischen Staaten. Deren Politiker sollten daher schon im eigenen Interesse den Appellen der Vereinten Nationen Folge leisten und beim Versuch, die Ursachen der Gewalt in fremden Erdteilen zu bekämpfen, mit von der Partie sein. Sonst landen diese Konflikte früher oder später in Form von Flüchtlingen vor ihrer Haustür. Klar ist: Diese Strategie kann nur langfristig wirken. Wegschauen ist jedoch keine intelligente Alternative.

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