Politik Gähn ...!

Regelmäßig kocht die Frage hoch: „Gehört der Islam zu Deutschland?“

So, wie die Debatte geführt wird, ist sie unsinnig. Und sie langweilt

allmählich. Weil sie aufgrund durchsichtiger Motive angezettelt wird. Welche Religionen Teil des Landes sind oder gar zum Land gehören,

entscheiden nicht Politiker.

Die Frage wird vermutlich gestellt, seit der Islam als Religion weithin erkennbar in Deutschland praktiziert wird: „Gehört der Islam zu Deutschland?“ Es ist möglicherweise hilfreich, zunächst ein paar der höchsten Vertreter von Verfassungsorganen zu Wort kommen zu lassen. Denn selbst in diesen knappen Zitaten werden Differenzierungen deutlich, wird natürlich auch die Meinungsbandbreite sichtbar. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble 2006 im Bundestag: „Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas. Der Islam ist Teil unserer Gegenwart und unserer Zukunft.“ Bundespräsident Christian Wulff 2010 am 20. Jahrestag der Wiedervereinigung: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Bundesinnenminister Horst Seehofer kurz nach Amtseinführung im „Bild“-Interview: „Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt. … Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel im März in einer Regierungserklärung: „Es steht völlig außer Frage, dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist. Doch so richtig das ist, so richtig ist es auch, dass mit den 4,5 Millionen bei uns lebenden Muslimen ihre Religion, der Islam, inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist.“ Auf jeden derartigen Meinungsbeitrag folgt reflexartig eine kontroverse Diskussion. Dabei ist längst klar: So, wie die Debatte in der Regel geführt wird, ist sie unsinnig. Denn welche Religionen in einem Land anzufinden sind, ob Religionen praktiziert werden oder nicht, welche Religionen Teil des Landes sind oder gar zum Land gehören (oder auch nicht), entscheiden nicht Politiker. Die Freiheit des Glaubens, die Freiheit des religiösen Bekenntnisses oder die ungestörte Religionsausübung ist ein von der Verfassung geschütztes Grundrecht. Wer sich weltanschaulich bekennt und seine Religion im Rahmen der Rechtsordnung ausübt, tut das geschützt – geschützt vom Grundgesetz und ganz unabhängig von den Schäubles, Wulffs oder Seehofers. Die Diskussion ist auch eine Scheindebatte. Denn kaum jemand, der die Islamfrage mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet , lässt sich über die Konsequenzen seiner Festlegung aus. Was folgt denn daraus, wenn Seehofer meint: „Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland“? Ist der Moscheenbau zu verbieten? Seehofer sagt dazu nichts. Umgekehrt: Was bedeutet es denn, wenn Wulff erklärt: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“? Eine wirkliche Debatte und ein vertieftes Nachdenken über die politischen Folgen finden in aller Regel gar nicht statt. Es prallen lediglich Festlegungen aufeinander, jede Seite zieht sich in den argumentativen Schützengraben zurück. In der Sache wird dadurch nichts gewonnen. Es ist auch fraglich, ob einer wie Seehofer tatsächlich eine ernsthafte Diskussion mit seiner Stellungnahme anstoßen will. Viel eher ist zu vermuten, dass er mit Blick auf die bayerische Landtagswahl im Herbst Emotionen schüren oder bedienen will. Was Seehofer allerdings trotz fast historisch schlechtem Bundestagswahlergebnis immer noch nicht zu begreifen scheint: Die CSU kann sich in derartigen Fragen gerieren wie sie will, die politische Dividende dafür landet letztlich beim Original – bei der AfD.

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