Leitartikel Gefährliche Strategien

Dietmar Woidke, SPD-Spitzenkandidat in Brandenburg und Noch-Ministerpräsident, hat gewonnen. Und an Wahlmöglichkeiten für Koalit
Dietmar Woidke, SPD-Spitzenkandidat in Brandenburg und Noch-Ministerpräsident, hat gewonnen. Und an Wahlmöglichkeiten für Koalitionspartner verloren.

Zuletzt haben die Wahlen im Osten gezeigt, dass sich demokratische Parteien gehörig verrennen können. Dabei kann die Glaubwürdigkeit der Demokratie an sich beschädigt werden.

Innerhalb weniger Wochen sind die Deutschen Zeugen mehrerer politischer Manöver geworden, die das Potenzial haben, die Demokratie im Land weiter zu beschädigen. Es ist eine Mischung aus falschen Strategien und übersteigerten Egoismen. Und hinter alldem steht die Angst der traditionellen Parteien, Wähler an die rechtsextreme AfD zu verlieren. Oder, neu hinzugekommen, an das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Beispiel eins: die Landtagswahl in Brandenburg. Die bisherige Regierungspartei SPD ist knapp stärkste Partei vor der AfD geblieben. Doch zu welchem Preis! Die Ankündigung des beliebten Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, er werde zurücktreten, wenn die SPD nicht stärkste Partei werde, hat dazu geführt, dass viele Wähler anstelle anderer Parteien die SPD wählten. Ergebnis: FDP und Grüne sind nicht mehr im neuen Landtag vertreten. Das beschneidet natürlich die Optionen für eine neue Landesregierung – und für die SPD.

Alles für den Machterhalt

Beispiel zwei: die Strategie der Union. Nach der Wahl in Sachsen will der CDU-Spitzenkandidat und bisherige Ministerpräsident Michael Kretschmer – im Unterschied zu dem Brandenburger Parteikollegen, der das dort strikt abgelehnt hat – sehr wohl mit dem BSW sprechen. Nicht aber mit der Linken, aus der das BSW kürzlich hervorgegangen ist. Denn auf dem Papier gilt für die CDU ein Unvereinbarkeitsbeschluss.

Wie glaubwürdig ist das alles? Was soll man von Parteitagsbeschlüssen halten, wenn sie ganz unterschiedlich „interpretiert“ werden zugunsten des Machterhalts?

Söder hackt weiter

Doch das Ganze geht noch einen Dreh weiter. Auf Bundesebene wettern CDU/CSU bereits seit geraumer Zeit gegen die Grünen. Im Bemühen, so der AfD Stimmen abzujagen. Doch irgendwann muss CDU-Parteichef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz gemerkt haben, dass das keine clevere Taktik ist: Weil man ja die Grünen eventuell noch als Koalitionspartner brauchen könnte, gerade im Bund. Seit einiger Zeit nimmt er sich daher zurück.

Der Bayer Markus Söder indes hackt munter weiter. Zeigt sich hier der Egoismus eines herabgestuften Politikers? Indem der Bayer, der nicht Kanzlerkandidat geworden ist, weiter gegen die Grünen wettert, erreicht er zumindest eines: Er kann Merz das Leben schwer machen. Das drohende Resultat scheint Söder schnuppe zu sein. Schließlich könnte es ja passieren, dass die FDP nicht mehr in den Bundestag einzieht. Wer bliebe da noch als Koalitionspartner für eine CDU übrig, die sich selbst mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen eingemauert hat? Nur die SPD. Dann wäre also wieder Zeit für eine große Koalition. Eine Option, bei der alle froh waren, als sie 2021 endlich (erneut) vorbei war. Weshalb damals die Ampel von vielen begeistert begrüßt wurde.

Macrons Regierung aus Wahlverlierern

Die Tendenz, die Glaubwürdigkeit der Demokratie mit fragwürdigen Strategien zu beschädigen, zeigt sich allerdings nicht nur in Deutschland. Sondern beispielsweise auch in Frankreich. Dort hat Präsident Emmanuel Macron nach einer überraschend ausgerufenen Wahl eine weit rechtere Regierung als vorher installiert. Diese besteht aus den Wahlverlierern, Mitgliedern der Konservativen und von Macrons eigener Partei. Die Wahlgewinner, das linke Volksbündnis, ist gar nicht vertreten. Tun sich die Linken und die Rechtspopulisten von Marine Le Pen zusammen und stellen einen Misstrauensantrag, würde ihn die neue Regierung kaum überleben.

Mit solchen Spielchen wird das Vertrauen in die Demokratie untergraben. Das Schlimmste aber ist: Es nützt den ganz rechten Kräften, die eigentlich geschwächt werden sollen.

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