Athen Griechischer Politiker stürzt über Flugzeug-Affäre

Wer wartet auf wen? Der Politiker auf das Flugzeug, oder das Flugzeug auf den Politiker? Darum geht es, vordergründig in einem Fall, der in Griechenland diskutiert wird.

In Wirklichkeit geht es aber um mehr, nämlich um die von Klientel- und Vetternwirtschaft geprägte politische Kultur in jenem Land, das sich gern als „Wiege der Demokratie“ feiern lässt.

Hauptperson ist ein Mann, dessen Namen man sich nicht merken muss, denn seine Karriere ist wohl beendet: Lefteris Avgenakis, 51, Abgeordneter der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) aus Kreta und bis vor Kurzem Landwirtschaftsminister. Am Mittwoch schloss ihn die ND auf Antrag von Partei- und Regierungschef Kyriakos Mitsotakis aus der Parlamentsfraktion aus.

Grund war ein Vorfall, der sich am Montag am Athener Flughafen zutrug. Avgenakis wollte nach Kreta fliegen, kam aber zu spät. „Der Flug ist geschlossen“, beschied ihn der Mitarbeiter am Gate. Avgenakis bestand dennoch darauf, an Bord zu gehen. Auf dem Video einer Sicherheitskamera ist zu sehen, wie der Politiker wild gestikulierend auf den Flughafenangestellten einredet und ihm schließlich etwas versetzt, was wie ein Fausthieb oder eine Ohrfeige aussieht.

„Weißt Du, wer ich bin?“

Der hinzukommenden Polizei rief Avgenakis nach Zeugenaussagen entgegen: „Fasst mich nicht an, ich habe Immunität!“ Möglicherweise ist dann auch jener Satz gefallen, den der griechische Regierungssprecher Pavlos Marinakis jetzt zitierte: „Weißt Du, wer ich bin?“

Generationen von griechischen Polizisten haben sich diese Frage schon anhören müssen, wenn sie versuchten, einem falschparkenden oder zu schnell fahrenden Politiker ein Knöllchen auszustellen. Auch Kellner kennen die Frage, wenn es einem Gast, der sich für wichtig hält, nicht schnell genug geht. Die „Weißt-Du-wer-ich-bin-Attitüde“ werde in der Regierung Mitsotakis nicht geduldet, erklärte Regierungssprecher Marinakis jetzt.

Politikverdrossenheit im Mutterland der Demokratie

Dass Avgenakis derart ausrastete, könnte damit zusammenhängen, dass er erst vor drei Wochen bei einer Kabinettsumbildung sein Amt verloren hat. Wäre er am Montag noch Minister gewesen, hätte der Flieger vielleicht auf ihn gewartet. Die Immunität des Abgeordneten soll jetzt aufgehoben werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Nötigung und anderer Delikte.

Avgenakis hat sich inzwischen zwar entschuldigt. Sein Parlamentsmandat will er aber nicht zurückgeben. Die Posse dürfte wohl dafür sorgen, dass die Politikverdrossenheit im Mutterland der Demokratie weiter wächst. Bei der vergangenen Europawahl fiel die Wahlbeteiligung auf 41,4 Prozent. 2019 hatten immerhin noch 59 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Bei der ersten Europawahl 1981 waren es stolze 81,5 Prozent.