Mega-Fabrik in Alzey Hat der US-Pharmakonzern Lilly Einfluss auf ein Gesetz genommen?

Auch Eli-Lilly-Chef Dave Ricks war am 8. April beim großen Spatenstich in Alzey.
Auch Eli-Lilly-Chef Dave Ricks war am 8. April beim großen Spatenstich in Alzey.

Der US-Pharmariese Eli Lilly hat seine Milliardeninvestition in ein neues Werk in Alzey womöglich an eine Gesetzesänderung zu seinen Gunsten geknüpft. Der Konzern bestreitet das. Die Bundesregierung sieht keinen Zusammenhang.

Am 8. April hat der US-Pharmakonzern Eli Lilly in Alzey mit einer hochrangigen Delegation aus Bundes- und Landespolitik, angeführt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), den Spatenstich zu einem Milliardenprojekt gefeiert. Ein Pharmawerk des US-Konzerns soll in Alzey entstehen – mit 1000 Arbeitsplätzen.

Nun verfestigen Nachforschungen von WDR, NDR, Süddeutscher Zeitung (SZ) und dem Rechercheteam Investigate Europe mit internen Unterlagen aus dem Bundesgesundheitsministerium den Verdacht, dass der Pharmariese die Ansiedlung in Rheinland-Pfalz an eine Gesetzesänderung geknüpft haben könnte.

Es geht um Preisgestaltung

Es geht um die deutsche Preisregulierung für die Pharmaindustrie, die sich auf ganz Europa auswirkt. Bisher dürfen Pharmakonzerne zunächst den Preis frei wählen, wenn in Deutschland ein neues Medikament auf den Markt kommt. Nach einem Jahr bewertet ein Gremium aus Vertretern von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken den Wert des neuen Medikaments. Kommen sie zum Ergebnis, dass das neue Präparat keinen belegten Zusatznutzen gegenüber bisher verfügbaren Therapien hat, muss der Pharmakonzern einen Rabatt gewähren. Der beträgt häufig mehr als 50 Prozent. Dieser deutsche Rabattpreis ist bisher öffentlich einsehbar. Viele andere europäische Länder verlangen dann auch einen entsprechend hohen Rabatt von den Pharmafirmen. Eli Lilly fordert nun, die Rabatte geheimhalten zu dürfen. „In den meisten Staaten der EU werden getroffene Rabattverhandlungen vertraulich behandelt“, erklärte Lilly auf Anfrage von WDR, NDR, SZ und Investigate Europe. Lilly fügte an: „Das sollte unserer Meinung nach auch für Deutschland gelten.“

Geheimpreise durchgesetzt?

Nach Unterlagen, die WDR, NDR, SZ und Investigate Europe mithilfe des Informationsfreiheitsgesetzes erstritten haben, könnte das Unternehmen seine Milliardeninvestition in Rheinhessen genutzt haben, um die gewünschten Geheimpreise in einem neuen Gesetz durchzusetzen.

So schrieb der Leiter der Abteilung für Arzneimittel im Gesundheitsministerium nach einem Treffen mit Lilly-Vertretern im August 2023 nieder, Lilly plane eine Investition „im niedrigen einstelligen Milliardenbetrag“ in Rheinland-Pfalz. „Eli Lilly knüpft seine Investitionsentscheidung an die Zusage der Bundesregierung, vertrauliche Rabatte bei innovativen Arzneimitteln zu ermöglichen“, schrieb der Beamte den Recherchen zufolge. Lilly dementierte auf Anfrage der Rechercheure, die Regierung unter Druck gesetzt zu haben. Man habe „zu keiner Zeit die Investitionsentscheidung in Rheinland-Pfalz an eine derartige Zusage von Seiten der Bundesregierung geknüpft“.

Höhere Kosten die Folge?

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums von Karl Lauterbach, der damals beim Spatenstich in Alzey ebenfalls vor Ort war, teilte auf Anfrage von auf Anfrage von WDR, NDR, SZ und Investigate Europe nur mit: „Minister Lauterbach sind keine Vermerke bekannt, in denen er sich Eli Lilly gegenüber zu diesem Thema geäußert hätte. Für ihn persönlich hat die Haltung von Eli Lilly keine Rolle bei der Entwicklung der Pharmastrategie gespielt.“

Inzwischen haben Bundestag und Bundesrat die Geheimpreise als Teil des Medizinforschungsgesetzes beschlossen. Wird es verkündet, kann es in Kraft treten. Viele Gesundheitsexperten halten die Regelung für schädlich, sie führe zu höheren Preisen.

Es geht um die Abnehmspritze

Lilly verhandelt aktuell mit den Krankenkassen über den Preis für sein neues Diabetesmedikament Mounjaro, das als Abnehmspritze bekannt ist. Für Diabetespatienten bezahlen es die Krankenkassen, Abnehmwillige müssen es aus eigener Tasche finanzieren. Fachleute erwarten, dass Lilly für Mounjaro den Kassen Rabatt gewähren muss, weil der Gemeinsame Bundesausschuss von Kassen und Ärzten dem Medikament keinen Zusatznutzen gegenüber anderen Präparaten bescheinigt hat. Experten meinen, Lilly könnte erstmals vom Recht auf einen Geheimpreis Gebrauch machen, auch um von Privatleuten mehr kassieren zu können.

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