Pro und Contra Ist die Gen Z eine Generation von Egoisten?

Arbeiten im Homeoffice ist für die Gen Z, die heutigen Mittzwanziger, zur Selbstverständlichkeit geworden.
Arbeiten im Homeoffice ist für die Gen Z, die heutigen Mittzwanziger, zur Selbstverständlichkeit geworden.

Junge Menschen werden zuweilen als äußerst selbstbezogen beschimpft. Der Vorwurf: Sie seien wenig motiviert, sich im Arbeitsleben zu engagieren. Work-Life-Balance, der Ausgleich zwischen Arbeitsleben und Freizeit, hat bei ihnen einen hohen Stellenwert. Ist das nun verantwortungslos oder vernünftig?

PRO

Von Adrian Hartschuh
Sie hat Tränen der Verzweiflung in den Augen, immer wieder versagt ihre Stimme: Die TikTokerin Dana R. hat gerade „den größten Nervenzusammenbruch ever“. In ihrem Selfie-Video, das vor einigen Monaten viral ging, berichtet sie schockiert von ihrem bevorstehenden Berufsstart und über das ihrer Meinung nach viel zu mickrige Einstiegsgehalt: „Da sind Leute, die wollen dir 36.000 Euro im Jahr geben als Vollzeitangestellte. Aber, du kriegst 30 Tage im Jahr Urlaub. Das Schlimmste ist: Die 30 Tage sind ja noch viel.“ Sie wisse wirklich nicht, wie man so überleben könne.

Dana R. taugt leider als Abziehbild für einen Großteil ihrer Generation Z, jener Altersgruppe, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurde, und die so überbehütet aufgewachsen ist, dass sie beim Gedanken an Arbeit und Stress gleich einen Nervenzusammenbruch bekommt. Für die Hafermilch-Maries und Guavensaft-Lucas dieser Generation Feierabend ist im Job allein die Work-Life-Balance entscheidend. Oder besser: Wenig Work, viel Life. Denn die Zoomer verbringen täglich mehr als vier Stunden auf Social Media. Wer dann noch seine Freunde sehen will, hat natürlich wenig Zeit für Arbeit. Und wenn, dann bitte mit viel Homeoffice, wenig Verantwortung und hohem Gehalt.

Für Arbeitgeber und Kollegen ist dieser Egoismus ein Problem: Unternehmen müssen in aller Regel Geld verdienen – und wenn die Gen Z weniger arbeitet, müssen die anderen mehr arbeiten. Denn es ist ja nicht so, dass Zoomer überdurchschnittlich effektiv wären. Bei einer Statista-Umfrage waren in älteren Generationen mehr als zwei Drittel der Befragten der Meinung, die Gen Z sei weniger leistungsfähig. Und sogar in der Gen Z selbst teilten 49 Prozent der Befragten diese Meinung.

Immerhin: Wenigstens in diesem Punkt haben anscheinend viele Zoomer ein vernünftiges Selbstbild.

CONTRA

Von Annette Weber
Ich bin ein „Boomer“, gehöre zu den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er. Wir waren immer viele. In der Schule, in der Ausbildung, im Studium. Wer sich seinen Berufswunsch erfüllen konnte, einen Arbeitsplatz ergatterte trotz der großen Konkurrenz, konnte sich glücklich schätzen. Vielleicht haben wir deshalb auch so rangeklotzt. Der Song „Bruttosozialprodukt“ von Geier Sturzflug eroberte die Hitparaden, als ich 20 war.

Warum ich das erzähle? Weil es erklärt, dass für viele von uns die Arbeit an allererster Stelle kam und auch heute noch kommt. In meiner Generation gibt es nicht wenige Väter, die ihre Kinder unter der Woche nie gesehen haben, weil sie das Haus verließen, wenn der Nachwuchs schlief, und heimkamen, wenn die Kleinen längst im Bett waren. Wer in den 1990er Jahren als Mann Erziehungszeit nahm, wurde schräg angeschaut. Die Mütter hingegen haben sich aufgerieben zwischen Job und Kinderbetreuung ohne durchgängiges Kita-Angebot oder Ganztagsschule.

Das alles will die Generation unserer Kinder nicht mehr. Klar, sie wollen arbeiten, im Job was leisten, was erreichen. Aber sie wollen auch etwas von ihrer Familie haben, Sport treiben, ins Kino oder Theater gehen. Arbeit ist wichtig. Aber sie ist nicht alles im Leben. Das haben sie begriffen. Vielleicht auch, weil sie ihre Eltern als (Negativ-)Beispiel vor sich sehen.

Die viel gescholtene Generation Z verzichtet daher auch mal auf Geld, um mehr Lebensqualität zu haben. Sie verhandelt hart in Einstellungsgesprächen. Die Demografie ist auf ihrer Seite. Wo einst Arbeitsplätze Mangelware waren, sind es jetzt Bewerber.

Den jungen Menschen heute Egoismus vorzuwerfen, halte ich für zynisch. Egoistisch ist meine Generation, die ihnen einen Schuldenberg, ein Rentenloch und ein aus den Fugen geratenes Klima hinterlassen wird.

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