Kalenderblatt: Kalender: Richard Nixons Rücktritt 1974

Dunkle StundeEin Pressefotograf des Weißen Hauses hält die Familienszene fest, nachdem Richard Nixon sich zum Rücktritt entschlo
Dunkle StundeEin Pressefotograf des Weißen Hauses hält die Familienszene fest, nachdem Richard Nixon sich zum Rücktritt entschlossen hat: Der Präsident sucht Trost bei seiner jüngeren Tochter Julie, während die ältere Tochter Tricia mit den Tränen kämpft. Schwiegersohn Ed Cox macht gute Miene zum traurigen Anlass.

Heute vor 46 Jahren, am 9. August 1974, trat US-Präsident Richard Nixon zurück und verließ das Weiße Haus. Er stürzte über die Watergate-Affäre, die Vertuschung eines dilettantischen Einbruchs in das Hauptquartier des politischen Gegners. Eigentlich war Nixon ein erfolgreicher Staatschef, vor allem außenpolitisch. Doch sein schwieriger Charakter verdarb ihm den Erfolg.

Andrew Johnson, Richard Nixon, Bill Clinton, Donald Trump: Nur 4 von 45 Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika sahen sich damit konfrontiert, vom Kongress in einem förmlichen Verfahren ihres Amtes enthoben zu werden. Drei von ihnen gingen zwar mit Blessuren, aber als Sieger aus diesem Prozess hervor. Nur einer musste mit Schimpf und Schande gehen: Heute vor 46 Jahren trat Richard Nixon als erster – und bis heute einziger – US-Präsident zurück.

Der Anlass dafür lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Watergate. So heißt das Hotel in Washington, in dem sich 1972 das Hauptquartier der Demokratischen Partei befand, Basis für Nixons politische Gegner. Ein Wachmann ertappte im Juni 1972 fünf Einbrecher, die in den Büros Wanzen installieren wollten. Das FBI fand heraus, dass die Gruppe, bald nur noch „die Klempner“ genannt, im Komitee für die Wiederwahl des Präsidenten ein und aus ging. Für ihr Schweigen sollten sie Geld und die baldige Begnadigung erhalten.

Ein „drittklassiger Einbruch“

Es mutet wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass ein „drittklassiger Einbruch“, wie Nixons Pressesprecher die Affäre bezeichnete, den Präsidenten der USA aus dem Weißen Haus fegte. Denn Richard Nixon befand sich im Zenit seines öffentlichen Wirkens. Seine außenpolitischen Leistungen beeindruckten auch seine Kritiker.

Der einstige Kommunistenjäger setzte auf Entspannung und besuchte als erster US-Präsident 1972 China und die Sowjetunion. Heute kann man sich kaum vorstellen, welche Sensation Nixons Reise nach Peking und Schanghai für die Zeitgenossen darstellte, eingefädelt von seinem aus dem fränkischen Fürth stammenden Sicherheitsberater und späteren Außenminister Henry Kissinger. Mit der Sowjetunion schloss Nixon erste Rüstungskontrollabkommen, die Anzahl und Reichweite strategischer Atomwaffen begrenzten. Und er schaffte es, wenngleich mit militärischer Gewalt wie der Bombardierung von Hanoi und dem Einmarsch in Kambodscha, die vietnamesischen Kommunisten zu Verhandlungen zu zwingen, an deren Ende ein Friede stand – ein zerbrechlicher zwar, aber immerhin einer, der Hunderttausende amerikanische GIs „ehrenvoll“ heimkehren ließ. So hatte es Nixon 1968 seinen Wählern versprochen.

Ein verbissener Aufsteiger

Dass all diese Erfolge im Strudel von Watergate versanken, ist aber nicht der Launenhaftigkeit einer grausamen Geschichtsgöttin zuzuschreiben. Sein verschlossener Charakter, sein Freund-Feind-Denken, das die Welt in Gut und Böse, in Vasallen und Verräter teilte, sein Hang zu schmutzigen Tricks, um Konkurrenten auszubooten – das wurde Nixon zum Verhängnis. Zeitlebens war der Quäkersohn aus dem kalifornischen Yorba Linda ein verbissener Aufsteiger, der sich von einer feindlichen Umwelt – den Kennedys, den Intellektuellen, den Journalisten – verachtet fühlte und deshalb der Sieger sein wollte. Um jeden Preis.

Bis heute gibt es keinen Hinweis darauf, dass er selbst vom Einbruch ins Watergate-Hotel gewusst oder ihn gar angeordnet hätte. Doch dass er bereits wenige Tage nach dem Auffliegen der „Klempner“ mit seinem Stabschef H.R. Haldeman besprach, wie man die Aktion am besten vertuscht, das ist unbestritten.

Die verflixten Tonbänder

Vielleicht wäre „Tricky Dick“, wie man ihn nannte, davongekommen, hätte sein stets argwöhnisches Wesen auch gegenüber Mitarbeitern ihn nicht dazu gebracht, im Weißen Haus eine Tonbandanlage zu installieren, die sämtliche Gespräche ohne Wissen der Beteiligten aufzeichnete. Als die Existenz dieser Anlage dem Senatskomitee, das den Einbruch untersuchte, bekannt wurde, bestanden die Parlamentarier auf der Herausgabe der Bänder.

Daraus entwickelte sich die schwerste Verfassungskrise der USA seit dem Bürgerkrieg. Nixon bestand darauf, dass es das „Vorrecht der Exekutive“ sei, solche Gespräche vertraulich zu behandeln. Doch am 24. Juli 1972 ordnete das Oberste Gericht die Herausgabe aller Tonbänder an den Justizausschuss des Repräsentantenhauses an, das gerade ein Amtsenthebungsverfahren vorbereitete. Das Aus für Richard Nixon war nun in Sicht. Doch in seiner Rücktrittsrede vor einer frustrierten und durch die vulgäre Sprache auf den Bändern angeekelten Nation drückte sich Nixon immer noch vor einem Schuldeingeständnis.

Das Victoryzeichen

Heute vor 46 Jahren schauten Millionen Menschen in aller Welt zu, wie Richard Nixon und seine Frau Pat auf dem Rasen des Weißen Hauses in den Hubschrauber kletterten, der sie aus Washington herausfliegen sollte, und wie sich der entmachtete Präsident noch einmal umdrehte und sein Markenzeichen zeigte: das breite Grinsen und die zum Victoryzeichen gekreuzten Arme über dem Kopf. Was in der Stunde der Schande absurd erschien, wirkt heute wie die Vorwegnahme seiner Rehabilitierung. Nixon musste nicht ins Gefängnis, weil sein Nachfolger Ford ihm Pardon erteilte für alle Straftaten, die er als Präsident vielleicht begangen hatte. Er schrieb kluge Bücher zur Weltpolitik und als er, im April 1994 nach einem Schlaganfall verstorben, in Yorba Linda beigesetzt wurde, hielt der amtierende Präsident Clinton, der in den 1960er-Jahren als Student gegen Nixon und den Vietnam-Krieg demonstriert hatte, persönlich die Grabrede. Sie klang wie eine Begnadigung vor der Geschichte.

Die RHEINPFALZ feiert 2020 ihren 75. Geburtstag. In unserem Jubiläumskalender erinnern wir jeden Tag an ein besonderes Ereignis oder eine ungewöhnliche Geschichte aus den vergangenen 75 Jahren.

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