Politik Kampf an vielen Fronten

Drohende Strafzölle, die Reform der Euro-Zone, das weitere Vorgehen in Sachen Griechenland: Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat bei seiner Visite in Washington, wo er an der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) teilnimmt, zahlreiche wichtige Themen zu besprechen.

Der Bundeswehr-Airbus ist gerade in Washington gelandet, da muss Finanzminister Olaf Scholz (SPD) schon zum ersten Termin aufbrechen. Ein Abendessen mit IWF-Chefin Christine Lagarde steht an. Vor Beginn der IWF-Frühjahrstagung gibt es viel zu bereden. Der Währungsfonds malt zwar ein prächtiges Bild der Weltkonjunktur, doch er warnt vor wachsenden Gefahren: Der Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten, China und Europa könnte zur ernsten Belastung für die Weltwirtschaft werden. Lagarde spricht von der „Erosion des Vertrauens“. Für den Sozialdemokraten Scholz ist es die erste IWF-Tagung, an der er teilnimmt. Doch fürs Einarbeiten bleibt keine Zeit. Dafür sind die Stunden in Washington zu wichtig für die deutsche Politik. Wie wichtig, zeigt sich daran, dass Scholz Gespräche im Weißen Haus führt. Gestern stand ein halbstündiges Gespräch mit US-Vizepräsident Mike Pence an. Bis zum Abflug nach Washington haben die Ministeriumsmitarbeiter diesen Termin geheim gehalten. Scholz ist ein nüchterner Politiker und vermeidet Wirbel. Dass der deutsche Vizekanzler zum US-Vizepräsidenten vorgelassen wird, ist für Scholz ein Erfolg. In dem Gespräch dürfte es vor allem um den Handelskonflikt gegangen sein, doch der verschwiegene Hanseat lässt sich nicht in die Karten blicken. „Die Liste der Gesprächsthemen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ist lang“, sagt Scholz lapidar. Dass das deutsche Regierungsmitglied gleich im Anschluss an das Gespräch mit Pence auch mit dem neuen Wirtschaftsberater des US-Präsidenten, Larry Kudlow, zusammenkommt, zeigt, worum es geht. Ende April läuft die von Washington gesetzte Frist aus, die Europa und andere Weltregionen von den US-Zöllen auf Stahl und Aluminium verschont. Die Strafzölle gegen China hat Trump schon in Kraft gesetzt. Die Bundesregierung versucht, die Schonfrist zu verlängern und ein Fenster für Verhandlungen zu öffnen. Darüber wird die Kanzlerin auch direkt mit US-Präsident Donald Trump sprechen, wenn sie Ende kommender Woche in die US-amerikanische Hauptstadt fliegt. Scholz zeigt mit dem Termin im Weißen Haus, dass er in dieser für Deutschland wichtigen Frage auf Augenhöhe agiert. In den vergangenen Wochen hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier die Sache an sich gezogen. Der CDU-Politiker erreichte mit seiner Kurzvisite in Washington, dass die USA vorerst auf Sanktionen verzichteten. Doch seitdem ist wenig passiert. Der Finanzminister will den Boden für ein gemeinsames Vorgehen bereiten. Das ist nicht seine einzige Mission. Der Besuch in Washington macht deutlich, an wie vielen Fronten der neue Minister kämpft. Die Verbündeten wollen wissen, wie sich die Bundesregierung die Reform der Euro-Zone vorstellt. Bisher war davon vom ehemaligen Ersten Bürgermeister von Hamburg wenig zu hören. Darüber hinaus geht es auch um Krisenmanagement. Am Rande der IWF-Tagung verhandeln die Euro-Länder und der IWF, wie es in Griechenland weitergeht. Im Sommer läuft das dritte Rettungsprogramm aus. Nach dem Willen aller Beteiligten soll es kein neues Paket mehr geben, wofür die Chancen nicht schlecht stehen. Die Gläubiger stehen im Wort, dass sie Athen bei Sanierungsfortschritten weitere Schuldenerleichterungen gewähren. Teure Kredite sollen umgeschuldet werden, längere Kreditlaufzeiten werden erwogen. Heute trifft sich die „Washington-Gruppe“, ein informeller Zusammenschluss der Gläubiger. Bis zur nächsten Sitzung der Euro-Gruppe Ende April soll Klarheit herrschen. Die Zeit drängt. Die Auftritte vor internationalen Finanzpolitikern und Notenbankern will Scholz auch dazu nutzen, den Kurs in der Euro-Politik abzustecken. Der 59-Jährige hat bisher vor allem geschwiegen. Jetzt lässt er erste Linien erkennen und macht deutlich, dass er in vielen Punkten den Kurs seines Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) fortsetzt. Bei einer Rede vor der Stiftung German Marshall Fund sagt Scholz: „Gute Haushaltspolitik hat zwei Aspekte: Sie ist solide und ermöglicht notwendige Investitionen.“ Schäuble hätte das nicht anders formuliert. Bei einer öffentlichen Diskussionsrunde im IWF-Hauptgebäude sagt Scholz, dass in Europa Strukturreformen entscheidend seien. Auf die Vorschläge des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, einen Euro-Finanzminister einzuführen, geht Scholz überhaupt nicht ein – was wiederum einiges sagt. In Washington dämpft er Erwartungen vieler Euro-Länder, dass die neue Bundesregierung den Geldhahn aufdrehen könnte. Die Vertiefung der Bankenunion hält Scholz wie seinerzeit Schäuble nur unter engen Bedingungen für möglich: Weitere Schritte zur Bankenunion seien dann denkbar, wenn die Kreditrisiken in den Bankbilanzen einiger Euro-Länder reduziert würden, meint Scholz. Erst dann könne über eine gemeinschaftliche Risikoteilung gesprochen werden. „Ein deutscher Finanzminister bleibt deutscher Finanzminister, auch wenn er von der SPD ist“, hat Scholz vor einigen Wochen gesagt. In Washington zeigt er, dass er dies ernst meint.

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