Meinung Kanzler Scholz – ein Dickkopf, der in der Weltpolitik für Verlässlichkeit steht

Bundeskanzler Olaf Scholz beim EU-Gipfel Mitte Dezember im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel.
Bundeskanzler Olaf Scholz beim EU-Gipfel Mitte Dezember im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel.

In der Außenpolitik tut Bundeskanzler Olaf Scholz das, was sich viele angesichts des ständigen Streits in der Ampelkoalition auch in der Innenpolitik wünschen würden: Er führt.

Olaf Scholz kann pfiffige Ideen haben. Als 26 EU-Regierungschefs die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eröffnen möchten und allein Viktor Orban noch blockiert, schlägt der deutsche Kanzler dem Ungarn vor, doch einfach mal einen Kaffee trinken zu gehen. Orban tut es – und der einstimmige Beschluss kann fallen.

International kann der in der Heimat so oft blockierte Ampelkanzler Scholz Probleme lösen. Der Mann, dessen chaotisch anmutende Koalition regelmäßig Rufe nach einer Neuwahl provoziert, kann auch im zweiten Regierungsjahr außenpolitisch eine ordentliche bis gute Bilanz vorweisen. Und das, obwohl Scholz und seine Regierung außenpolitisch zwei erkennbare Fehler gemacht haben.

Deutsche Hilfe für Ukraine unverzichtbar

Zuerst das grundlegend Positive. Der Kanzler hat Deutschland in den wesentlichen Krisen – dem Krieg in der Ukraine und den Terrorangriffen auf Israel – als verlässlichen Partner derer positioniert, die uns an ihrer Seite brauchen. Deutschland ist nach den USA der wichtigste Unterstützer der Ukraine. Andere reden mehr und tun weniger. Die Hilfe aus Deutschland hat tatsächlich eine Dimension, die unverzichtbar ist.

Und: Nach den menschenverachtenden Terrorangriffen der Hamas auf Israel hat Scholz, entsprechend unserer historischen Verantwortung, sofort die Solidarität Deutschlands mit Israel erklärt. Seine Bundestagsrede ließ nichts an Klarheit zu wünschen übrig. Gleichzeitig darf der schnelle Besuch des Kanzlers beim israelischen Premier Netanjahu als Teil einer konzertierten diplomatischen Aktion gesehen werden, die von den USA angeführt wurde. Das richtige Kalkül: Der ständige Kontakt mit den Verbündeten vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass das fürchterlich getroffene Israel in seiner Reaktion die Verhältnismäßigkeit wahrt.

Falsche Abwägung bei Gaza-Resolution

Ein grober Fehler war dagegen die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung über die Gaza-Resolution bei den Vereinten Nationen, in der es an einer eindeutigen Verurteilung des Terrors fehlte. Das Motiv, die eigene Rolle als anerkannter Gesprächspartner auch im arabischen Raum nicht zu beschädigen, ist nicht ehrenrührig. Trotzdem ist die Abwägung hier falsch ausgefallen.

In der Ukraine-Politik wiederum hätte Scholz sich – wie jetzt an der festgefahrenen Situation auf dem Schlachtfeld erkennbar – dazu durchringen sollen, Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Aber es wäre falsch, so zu tun, als hinge im Ukraine-Krieg alles nur von einer bestimmten Waffe und der entsprechenden Entscheidung in Berlin ab. Auch wer das Vorgehen des Kanzlers angesichts der Not der Ukraine auf dem Schlachtfeld falsch findet, sollte eines anerkennen: Es ist richtig, dass Scholz bei Waffenlieferungen die Risiken jedes Mal neu abwägt. Die Last des Amtseids kann ihm keiner nehmen. Tatsächlich tut der Kanzler in der Außenpolitik das, was sich viele in Zeiten des ständigen Streits in der Ampelkoalition auch in der Innenpolitik wünschen würden: Er führt.

Die alte Weltordnung ist zerstört

Die Welt befindet sich historisch in einem Übergangszeitraum. Die eine Weltordnung ist zerstört, eine neue gibt es noch nicht. In solchen Phasen drohen besonders viele Kriege, wie der Historiker Herfried Münkler festgestellt hat. Auch 2024 wird ein Jahr großer Unsicherheiten sein. Falls Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr gewinnt, wird das zu mehr Chaos und schwer kalkulierbaren Risiken in der Welt führen. Ein Kanzler, der nüchtern entscheidet und sich – mit einer ausgeprägten Fähigkeit zur Dickköpfigkeit – auch unter Druck die Zeit für die Abwägung nimmt, die er für nötig hält, ist da nicht die schlechteste Option.

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