Politik Koalitionsvertrag: In der CDU grummelt's

In der CDU macht sich Unzufriedenheit breit. Die Entscheidung, den Sozialdemokraten drei Schlüsselressorts zuzugestehen, kommt nicht gut an. Von Fehlern ist die Rede, von Enttäuschungen und vom Ende solider Haushaltspolitik. Parteichefin Angela Merkel versucht derweil, die Bedenken zu zerstreuen – und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer plaudert aus dem Nähkästchen der Koalitionsverhandlungen.

Vielleicht ist es eher ein Gefühl, nicht wirklich greifbar. Es wird gegrummelt, die Faust in der Tasche geballt, so richtig lauthals öffentlich geschimpft wird indes wenig. Die CDU ist enttäuscht, dass Chefin Angela Merkel den Sozialdemokraten das Finanzressort zugestanden hat. Aber was genau die Christdemokraten an dieser Entscheidung verstört, bleibt diffus. Denn an der Person Olaf Scholz – sollte er denn tatsächlich Hüter der Bundeskasse werden – kritteln nur wenige herum. Der Hanseat gilt als solide, auch wenn er in Hamburg viel Geld ausgibt. Es ist vermutlich eher das besorgte Gefühl, die Ära des deutschen Spar- und europäischen Zuchtmeisters Wolfgang Schäuble könnte mit dem Amtsantritt eines Genossen endgültig vorbei sein. Genährt wird dieses Gefühl auch durch Aussagen von (Noch-)SPD-Chef Martin Schulz. Der hat in der Europapolitik der neuen Bundesregierung das „Ende des Spardiktats“ verkündet. Und natürlich von „Bild“. Das Blatt plärrte gestern auf dem Boulevard: „Kanzlerin um jeden Preis: Merkel schenkt der SPD die Regierung“. Der schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident Daniel Günther drückte sich zurückhaltender aus. Gegenüber der „Welt“ grummelte er: Dass die CDU das Innen- und Finanzressort gegen das Landwirtschafts- und das Wirtschaftsministerium getauscht habe, sei „eine Einbuße, die vom Wahlergebnis nicht gedeckt ist“. Der CDU-Mittelstandspolitiker Christian von Stetten urteilte, die Ressortverteilung sei „ein politischer Fehler“. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Werner Bahlsen, sagte: „Dadurch, dass die SPD zudem das Schlüsselressort Finanzen erhält, winkt ein Ende solider Haushaltspolitik.“ Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, rief seine Fraktion zur Wachsamkeit gegenüber dem SPD-Finanzministerium auf. Auch pfälzische CDU-Vertreter sind wenig begeistert. Den Südpfälzer Thomas Gebhart (Jockgrim) schmerzt die Entscheidung, der Bad Dürkheimer Johannes Steiniger ist enttäuscht: „Die Sozialdemokraten können ja viel, aber nicht mit Geld umgehen.“ Steiniger berichtet von vielen Zuschriften Enttäuschter. Umso wichtiger, sagt er, werde die Kontrollfunktion des Haushalts- und Finanzausschusses im Bundestag. Steiniger ist übrigens Mitglied im Finanzausschuss. Andere berichten ebenfalls von Unverständnis an der Basis. Vor einer Vorstandssitzung in München sah sich CSU-Chef Horst Seehofer gestern aufgerufen, ein wenig Licht in den Verhandlungspoker um die Ressortverteilung zu bringen. Seehofer sagte, die SPD habe den Zuschlag zu den drei Schlüsselministerien Außen, Finanzen sowie Arbeit und Soziales zur Bedingung für eine Zustimmung zur großen Koalition gemacht. Die SPD hätte „sehr beharrt, dass sie diese drei Ministerien will, dass sie sonst nicht in die Regierung eintreten kann“, so der CSU-Chef. Die Debatte darüber habe stundenlang gedauert, „auch mit stundenlanger Sprachlosigkeit“. Merkel selbst versuchte wenige Stunden nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen die Bedenken in der eigenen Bundestagsfraktion zu zerstreuen. Einige Volksvertreter erklärten ihre Sorge, ein SPD-geführtes Finanzressort könnte den europapolitischen Stabilitätskurs Schäubles verlassen. Die Kanzlerin erinnerte in diesem Zusammenhang an das Recht des Parlaments, über Haushaltsfragen zu entscheiden. Allerdings war bereits in der vergangenen Legislaturperiode zu vernehmen, dass zahlreiche Fraktionäre von CDU und CSU Merkel nicht die Standhaftigkeit gegenüber europäischen Begehrlichkeiten zutrauten, die sie Finanzminister Wolfgang Schäuble immer attestiert haben. Es war vereinzelt sogar Misstrauen gegenüber der Kanzlerin zu spüren, mindestens in dieser Frage. Unzufriedenheit auch im Osten. Der Thüringer CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring befürchtet eine Unterrepräsentierung Ostdeutschlands in der neuen Bundesregierung. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff bedauert, dass ein ostdeutscher Politiker unter den Ministerkandidaten für die neue große Koalition nicht genannt wird. Auch nach fast drei Jahrzehnten Deutscher Einheit unterschieden sich weiterhin die Interessen und Bedürfnisse in Ost und West, so Haselhoff. Allerdings ist das eine merkwürdige Wahrnehmung. Denn mit Angela Merkel als Kanzlerin bestimmt eine Ostdeutsche die Richtlinien deutscher Politik im Bundeskabinett. Manchen in der CDU ging die Kritik an Merkel denn auch zu weit. Der Abgeordnete Kai Whittaker (Wahlkreis Rastatt) schimpfte auf Twitter: „Dieses Merkel-Bashing vom Ausverkauf der CDU ertrage ich nicht mehr. Dieses selbstbemitleidende Suhlen von gestandenen Leuten wie Säue im Dreck erinnert an ein trotziges Kind, das beleidigt aufstampft. Nur rumjammern statt anpacken.“

Sozialdemokraten könnten nicht mit Geld umgehen, so der Bad Dürkheimer Abgeordnete Johannes Steiniger.
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