Politik Kommentar: Die Mär vom vollen Boot

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Flüchtlingsboot

Die Asyldebatte in Europa wird geführt, als trügen Deutschland oder Italien

in der weltweiten Flüchtlingskrise die größte Last. Es ist mitnichten so.

Der jüngste Flüchtlingsbericht des Hilfswerks der Vereinten Nationen belegt, wie Krieg und Armut Staaten kollabieren lassen und Millionen Menschen zur Flucht zwingen. Syrien! Somalia! Kongo! Teils jahrzehntelange Konflikte, die jeder aus den Nachrichten kennt und die oft nur achselzuckend zu Kenntnis genommen werden: „Schrecklich, aber wir können das nicht lösen.“ Der Flüchtlingstreck des Sommers 2015 und die seither gedrosselte, aber doch andauernde Zuwanderung aus diesen Staaten hat uns Europäer damit konfrontiert, dass so viele Konflikte einer Lösung harren. Ein Gefühl der Überforderung hat sich eingestellt. Es hat seine Berechtigung. Und doch: Es sind mitnichten Deutschland oder Italien, die am schwersten zu tragen haben. Vielmehr sind es – das zeigt der UN-Bericht – die Nachbarländer von Kriegsstaaten, im Falle Syriens vor allem Libanon, Jordanien und die Türkei. Bundeskanzlerin Merkel hat völlig recht, wenn sie sagt, dass ein Abweisen von Flüchtlingen an einer innereuropäischen Grenze erstmal gar nichts löst. Schon gar keinen der Konflikte im Nahen Osten oder in Afrika. Die Fluchtursachen zu bekämpfen – Kriege zu beenden und auch die Wirtschaft labiler Staaten zu stärken –, das ist die eigentliche Herausforderung. Die Frage „Warum immer wir?“ ist mehr als berechtigt. Der UN-Bericht zeigt auch, das Deutschland schon jetzt Vorbild ist. Von einem vollen Boot können aber höchstens Länder wie Libanon reden, wo jeder vierte Einwohner Flüchtling ist.

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