Politik Kommentar: Nebulöse Urteile

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu parteipolitischen

Äußerungen von Regierungsmitgliedern wirft Fragen auf.

Regierungsmitglieder sind im Amt zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Das ist der Leitsatz des gestrigen Karlsruher Urteils. Ob Kanzlerin oder Minister: Niemand darf seinen Amtsapparat dazu benutzen, gegen andere Parteien – und damit gegen die Konkurrenz – zu polemisieren. So weit, so gut. Aber auf diese Kernaussage haben sich die Verfassungsrichter leider nicht beschränkt. Es ist nicht das erste Karlsruher Urteil zu der Frage, wie frank und frei Regierungsvertreter sagen dürfen, wie wenig sie von der Politik anderer Parteien halten. Vor einigen Jahren stand die damalige Familienministerin Manuela Schwesig unter Beschuss, weil sie in ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern in einem Interview gesagt hatte, Ziel Nummer eins sei, dass die NPD nicht in den Landtag komme. 2014 wiesen die Karlsruher Richter die Klage der NPD ab. Denn die SPD-Ministerin habe ein Interview gegeben, das könne jeder Politiker tun. Aber was, wenn Schwesig dasselbe in einer Talkshow gesagt hätte? Auch dazu schrieben die Richter damals etwas in ihr Urteil: Es komme bei Talkshows darauf an, ob der Politiker seine Aussagen „in spezifischer Weise mit der Autorität des Regierungsamtes unterlegt“. Spätestens hier wird es nebulös. Was heißt „in spezifischer Weise unterlegt?“ Hätte Johanna Wanka in einer Talkshow sagen dürfen, dass man der AfD die Rote Karte zeigen sollte? Kaum noch vorhersagbar, wie die Karlsruher Richter dann entschieden hätten.

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