Politik Lübcke-Mord: Bundesanwaltschaft geht in Revision

Thomas Sagebiel führte als Vorsitzender Richter den Prozess.
Thomas Sagebiel führte als Vorsitzender Richter den Prozess.

Auch wenn der Hauptangeklagte im Mordprozess gegen den Kasseler Regierungspräsidenten die Höchststrafe erhalten hat, will der Generalbundesanwalt Teile des Urteils vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen.

Der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Dieter Kilmer, kündigte am Donnerstag in Frankfurt an, in Revision zu gehen. Dabei geht es um den Freispruch des Hauptangeklagten Stephan Ernst im Fall des Messerangriffs auf einen irakischen Flüchtling sowie den Freispruch für den Mitangeklagten Markus H. von der Mittäterschaft am Lübcke-Mord. Man sehe H. weiterhin als Teilnehmer an dem Mordgeschehen, sagte Kilmer.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hat Ernst den CDU-Politiker Walter Lübcke in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019 auf der Terrasse von dessen Wohnhaus in Nordhessen mit einem Kopfschuss getötet. Das Gericht verurteilte ihn deshalb wegen Mordes zu lebenslanger Haft und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Eine anschließende Sicherungsverwahrung behielt sich das Gericht vor. Der ursprünglich wegen Beihilfe zum Mord angeklagte H. wurde wegen Verstoßes gegen das Waffenrecht zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Die Familie des ermordeten Regierungspräsidenten ist ihrem Sprecher zufolge enttäuscht vom Urteil gegen Markus H.. Dieses Urteil sei außerordentlich schmerzlich, sagte Sprecher Dirk Metz. Die Familie sei der festen Überzeugung, dass beide Angeklagte gemeinsam die Tat nicht nur vorbereitet und geplant hätten, sondern auch gemeinsam am Tatort gewesen seien. Insofern sei das Urteil gegen Markus H. schwer zu verkraften – „weil die Familie auch der Ansicht ist, dass nicht alles vom Gericht in diesem Fall ausgelotet worden ist, was möglich gewesen wäre“.

Angriff auf Flüchtling nicht bewiesen

Freigesprochen wurde Ernst vom Vorwurf, einen irakischen Flüchtling 2016 hinterrücks niedergestochen und schwer verletzt zu haben. „Es gibt zwar Umstände, die auf die Täterschaft hindeuten, aber keine tragfähigen Beweismittel“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel.

Ernst hatte die Tat wiederholt gestanden – jedoch in drei unterschiedlichen Versionen. Dabei belastete er zuletzt den Mitangeklagten H., der mit am Tatort gewesen sei. Doch an dieser Version habe man angesichts von Widersprüchen und situativ angepassten Aussagen „erhebliche Zweifel“, erklärte das Gericht. Ernsts Schilderungen seien nur in Bezug auf den eigenen Tatanteil glaubwürdig.

Geständnisse waren strafmildernd

Die Geständnisse wirkten sich trotz der Widersprüche laut Sagebiel zugunsten von Ernst aus. Zwar habe das Gericht keinen Spielraum bei der Verurteilung zu lebenslanger Haft und der Festellung der besonderen Schwere der Schuld gehabt. Aber Ernst habe nun die Möglichkeit, mit einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme zusammenzuarbeiten, Einfluss auf die mindestens zu verbüßende Strafe zu nehmen und Sicherheitsverwahrung zu vermeiden.

Nebenkläger in dem einschließlich der Urteilsverkündung 45 Tage dauernden Prozess war unter anderem die Familie Lübckes – seine Ehefrau und zwei Söhne. Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik. Der Prozess fand wegen der Corona-Pandemie unter strengen Hygieneauflagen statt.

Kommentar: Noch Leerstellen

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