Politik Leitartikel: Ein bisschen Entlastung

Gerade in konjunkturell guten Zeiten müsste die Politik

die Chancen zu einer spürbaren Steuerreform nutzen.

Doch sie bleibt weit unter ihren Möglichkeiten. Das Baukindergeld ist eine sinnvolle finanzielle Hilfe. Ihre Begrenzung bis 2020 ist aber nicht konsequent.

In einem Punkt ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu loben: Leise und ohne viel Tamtam geht der SPD-Politiker einen kleinen, aber richtigen Schritt in der Steuerpolitik. Scholz sorgt für den Ausgleich der heimlichen Steuererhöhungen. Die Regierung geht gegen die kalte Progression vor. Dieser Effekt hat zur Folge, dass Lohnerhöhungen nicht den erhofften Zuwachs an Kaufkraft bringen. Die Regierung plant für 2019 eine Mini-Senkung der Einkommensteuer. Was nach reiner Steuertechnik klingt, hat Auswirkungen für die Bürger: Im nächsten Jahr werden sie allein dadurch um zwei Milliarden Euro entlastet. Das ist im Vergleich zum gesamten Steueraufkommen zwar nicht viel, aber immerhin etwas: Der Sozialdemokrat Scholz setzt den Kurs seines Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) fort. Schäuble führte diese Kompensation im Jahr 2016 ein. Scholz macht jetzt klar, dass er das ebenso handhabt. Das ist zumindest ein kleines Zeichen. Am Gesamtbefund ändert das jedoch wenig. Die Entlastung von Bürgern und Unternehmen spielt in der großen Koalition nur ein Schattendasein. Das bleibt auch mit der Erhöhung des Kindergelds und der Einführung des Baukindergeldes so. Beim Kindergeld ist vor hohen Erwartungen schon deshalb zu warnen, weil die erste Anhebung erst am 1. Juli 2019 erfolgt. Dann steigt das Kindergeld um zehn Euro. Die finanzielle Lage von Familien dürfte sich damit kaum verbessern, denn mit Kindern schlagen die steigenden Lebenshaltungskosten besonders ins Kontor. Dass die Regierung darüber hinaus auch die Grundfreibeträge in der Einkommensteuer anhebt, folgt den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Diese Eckwerte im Steuerrecht müssen regelmäßig angepasst werden. Der Finanzminister beziffert sein Entlastungspaket auf zehn Milliarden Euro jährlich. Das ist aber nur halb richtig. Im nächsten Jahr werden Familien um vier Milliarden Euro entlastet. Wenn die zweite Kindergelderhöhung zum 1. Juli 2020 greift, steigt die Steuerersparnis für Familien unter dem Strich auf zehn Milliarden Euro. Das ist in Anbetracht der gesamten Steuerbelastung ein Nasenwasser. Die Steuerbelastung der Bürger und Unternehmen wird in Zukunft sogar weiter zunehmen. Dass Union und SPD in Zeiten ausgeglichener Haushalte und sprudelnder Steuerquellen nicht den Mut zu einer umfassenden Steuerreform aufbringen, ist ein kapitales Versäumnis. Gerade in konjunkturell guten Zeiten hätte die Politik Chancen zu einer spürbaren Reform nutzen müssen. Für viele Aufgaben ist in der Politik Geld da: für den eigenen Apparat, die Sozialpolitik und die Verteidigung. Doch für Bürger und Betriebe, die den Wohlstand erwirtschaften, bleibt wenig übrig. Vom verbreiteten Gefühl, dass vom Aufschwung bei den Leuten wenig ankommt, versucht die Koalition mit Wohltaten wie dem Baukindergeld abzulenken. Es ist richtig, wenn die Politik dabei hilft, dass Familien Wohnungseigentum erwerben können. Dass Kritiker von einer Förderung mit der Gießkanne sprechen, überzeugt nicht. Von der finanziellen Hilfe profitieren nur Familien mit geringem und mittlerem Einkommen – und nur dann, wenn sie zum ersten Mal eine Immobilie kaufen. Es ist sinnvoll, dass der Staat Anreize zur Eigentumsbildung schafft. Die Koalition ist aber nicht konsequent. Sie sieht zwar von unsinnigen Höchstgrenzen bei der Wohnfläche ab. Stattdessen soll es die Förderung nur bis 2020 geben. Das ist das Motto „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“.

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