Politik Leitartikel: Falsches Signal

In der Ukrainekrise muss der Westen weiter Front gegen Russland machen. Außenminister Gabriels Signale, Kompromisse in der Sanktionsfrage seien doch möglich, sind zumindest verfrüht. Mehr als 1000 Brüche der Minsker Vorgabe, keine schweren Waffen einzusetzen, gibt es pro Woche!

Der GroKo-Koalitionsvertrag behandelt die Themen Russland und Ukraine auf immerhin 50 Zeilen. Da ist viel Versöhnliches an Moskaus Adresse zu lesen wie „Wir halten an der Vision eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok fest“. Auch die nach der russischen Annexion der Krim 2014 erlassenen Sanktionen sind Thema, und zwar unzweideutig: „Bei Umsetzung der Minsker Vereinbarungen sind wir zu einem Abbau der Sanktionen bereit...“ Die Union hat daher Recht, wenn sie die Einlassungen rügt, die Außenminister Sigmar Gabriel jetzt zu den Russlandsanktionen gemacht hat. Der SPD-Politiker will schon „bei erkennbaren Fortschritten“ schrittweise die Strafmaßnahmen zurückfahren. Gabriel besaß gar die Chuzpe, anzuerkennen, dass er sich außerhalb des Konsenses bewegte. Dieser Stil verheißt nichts Gutes für den Fall, dass er im Außenamt verbleiben sollte. Gleichwohl muss man anerkennen, dass nicht nur die Russen die Minsker Vereinbarungen von 2015 über einen Waffenstillstand im Donbass brechen. Auch die Ukraine verweigert sich. Und wenn etwas im dritten Jahr nicht funktioniert, sollte man es sogar hinterfragen. Es ist daher vielmehr der Zeitpunkt als der Inhalt der Intervention Gabriels, der zu kritisieren ist. Zuletzt sind die Kampfhandlungen im Osten der Ukraine wieder eskaliert. Mehr als 1000 Brüche der Minsker Vorgabe, keine schweren Waffen einzusetzen, gibt es pro Woche! Russland regelt die Temperatur der Gefechte mal hoch und mal herab. So kurz vor der russischen Präsidentschaftswahl am 18. März jedenfalls dürfte Präsident Wladimir Putin, auch wenn seine Wiederwahl quasi vorbestimmt ist, keine Schwäche zeigen. Denn nichts anderes wäre es, wenn Bilder von einem Abzug russischer Panzer aus dem Donbass um die Welt gingen. Zumal das dann ja auch bewiese, was Moskau nach wie vor leugnet: Dass es reguläre russische Verbände sind, die dort Krieg führen. Es steht zu befürchten, dass sich derzeit nur wenig ändern kann im Donbass, denn schon 2019 stehen in der Ukraine Wahlen an. Präsident Petro Poroschenko bangt um sein Amt. Die wirtschaftliche Lage bleibt trübe, die Reformen stocken. Kompromisslosigkeit gegenüber dem Kreml ist noch seine stärkste Karte. Im Koalitionsvertrag ist die Rede von einem weiteren Instrument, endlich Frieden für die Ukraine zu schaffen: ein UN-Blauhelm-Einsatz. Putin selbst hat im September solch eine Mission vorgeschlagen. Nachdem übrigens Poroschenko das schon 2015 forderte. Auch der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Kurt Volker, wirbt dafür. In München wurde eine Studie vorgelegt, die im Auftrag von Ex-Nato-Generalsekretär und Poroschenko-Berater Anders Fogh Rasmussen erstellt wurde. Das Papier hält eine Schutztruppe von 20.000 Soldaten und 4000 Polizisten für nötig. Das sind ganz, ganz dicke Bretter. Die anzubohren, wäre Gabriels Aufgabe in München gewesen. Ein Vierer-Treffen mit Frankreich, der Ukraine und Russland war sogar angesetzt. Es kam nicht zustande, auch weil Gabriel abrupt nach Berlin jettete. Spätestens wenn die neue Bundesregierung im Amt ist, muss weitergebohrt werden. Bis auf Weiteres ist unerlässlich, dem Kreml gegenüber Einigkeit zu demonstrieren. Gabriels Relativierung der deutschen Linie zeigt Putin, dass er nur weiter zuwarten muss. Er will ja auch, dass dieser Krieg die Ukraine schwach hält. Nichts fürchtet Putin mehr als eine EU-nahe, demokratische Ukraine direkt vor der Haustür seiner Autokratie.

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