Politik Leitartikel: Kriegsrhetorik

Im Konflikt mit Nordkorea stellt sich US-Präsident Donald Trump nun verbal auf eine Stufe mit Diktator Kim Jong Un. Mit seinen unverhüllten Drohungen gießt er Öl ins Feuer. Das ist brandgefährlich und unverantwortlich. Die Welt muss dieser schrecklichen Farce einstweilen ohnmächtig

zuschauen.

Wer ältere Menschen fragt, wann sie in den vergangenen Jahrzehnten wirklich Angst vor dem Ausbruch eines Atomkrieges hatten, bekommt häufig zur Antwort: Zur Zeit der Kubakrise. Damals, im Oktober 1962, stationierte die Sowjetunion auf Kuba Atomraketen, die in wenigen Minuten die USA erreichen konnten. Daraus entwickelte sich ein fast zweiwöchiges nervenzerreißendes Tauziehen, das mit dem Abzug der Raketen endete. Dass die Welt damals knapp einem Nuklearkrieg entging, lag auch am Führungspersonal in Washington und Moskau. Hier der junge US-Präsident John F. Kennedy, der dem Drängen der „Falken“ in Politik und Militär standhielt und letztlich, beraten von seinem Bruder Robert, auf eine diplomatische Lösung setzte, die beiden Seiten erlaubte, das Gesicht zu wahren. Dort der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow, der zwar bei Gelegenheit gerne einmal als verbaler Raufbold auftrat, in der Kubakrise aber erkannte, dass er mit dem Festhalten an den Raketen die atomare Apokalypse heraufbeschworen hätte. Beide Seiten bewiesen damals ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und sorgten dafür, dass aus dem „kalten“ kein „heißer“ Krieg wurde. Der Verweis auf das seinerzeit handelnde und entscheidende Personal ist wichtig, weil sich ein großer Unterschied zu den Akteuren im aktuellen Konflikt zwischen den USA und Nordkorea zeigt. Nordkoreas Diktator Kim Jong Un will, daran gibt es keinen Zweifel, „die Bombe“, denn dann, so sein Kalkül, wären sein Land, sein Regime und er selbst praktisch unangreifbar. Es ist ein zutiefst zynisches, mit Blick auf den Zustand Nordkoreas menschenverachtendes, aber aus Kims Sicht rationales Kalkül, das er regelmäßig mit martialischen Tiraden untermauert. Und man muss, bei allem, was wir über dieses abgeschottete Land wissen (oder eben nicht wissen), davon ausgehen, dass Kim im Extremfall den Start von (Atom-)Raketen bewilligt – auch wenn er damit seinen eigenen Untergang besiegelte. Als wäre das nicht schon erschreckend genug, begibt sich Donald Trump, Präsident der Weltmacht USA, nun auf „Augenhöhe“ mit Kim, greift zu Sprachbildern, die einen schaudern lassen. Statt im Bewusstsein der eigenen Stärke und Überlegenheit konsequent, aber souverän zu agieren, heizt Trump den Konflikt weiter an. Statt in einer objektiv schwierigen Situation den Menschen Vertrauen einzuflößen, gießt er unbeirrt Öl ins Feuer. Das ist brandgefährlich und verantwortungslos und verstärkt den Eindruck, dass Donald Trump seinem Amt weder menschlich noch fachlich gewachsen ist. Die Welt muss dieser schrecklichen Farce einstweilen weitgehend ohnmächtig zuschauen. Aufrufe zur Mäßigung, wie sie gestern etwa Bundesaußenminister Sigmar Gabriel formulierte, drohen bei den Adressaten ungehört zu verhallen. Denn beide Seiten scheinen für solche Mahnungen nicht zugänglich zu sein: Kim Jong Un nimmt sehenden Auges hin, dass selbst der letzte wichtige Verbündete China auf Distanz geht; und im eigenen Land ist wohl niemand fähig und willens, ihn zur Zurückhaltung aufzurufen. Trump gebärdet sich immer noch als Wahlkämpfer, der wortgewaltig auftritt, ohne sich bewusst zu sein, welche Folgen seine Äußerungen haben können. Die Amerikaner sollten nachts ruhig schlafen, bemühte sich US-Außenminister Rex Tillerson gestern darum, der Dramatik die Spitze zu nehmen. Sorry, aber mit Blick auf die in diesem Konflikt handelnden Personen fällt es auch außerhalb der USA ziemlich schwer, dieser Empfehlung zu folgen.

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