Politik Leitartikel: Krise mit Zündschnur

Der Fall Maaßen ist im Grunde zu klein für einen Koalitionsbruch.

Aber es könnte auf eben diesen hinauslaufen.

Die SPD ringt dabei um Selbstachtung – und könnte viel verlieren. Parteichefin Nahles ist ein großes

Risiko eingegangen. Ihr Säbelrasseln muss nun Wirkung zeigen.

Man könnte die alte rhetorische Frage stellen: Quo vadis, SPD? (Wohin gehst du?) Doch jede Antwort darauf setzte voraus, dass die SPD überhaupt noch gehen kann. Das mag eine polemische Feststellung sein, doch der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, dass die deutsche Sozialdemokratie seit ihrer Beteiligung an der großen Koalition wie erstarrt wirkt. Sie verharrt nicht nur bei den Umfragen im Keller, sie traut sich auch nicht ans politische Tageslicht. Sicher, da gibt es einige Gesetze aus den Häusern der SPD-Minister. Sie wurden vor Monaten mit den Koalitionspartnern vereinbart und werden nun umgesetzt. Normales Regierungshandeln, für das die SPD aber gefeiert werden will. Und ja: Im Parlament halten ihre Abgeordneten leidenschaftliche, gelegentlich grobe Reden gegen die AfD. So richtig der Hinweis darauf ist, wie die AfD perfide das Parlament nutzt, um verzerrte Botschaften zu platzieren – Eindruck macht die SPD-Kritik an den Rechtsnationalen mehr in den eigenen Reihen als außerhalb. Es gibt genügend Argumente, die Methodik der AfD zu entlarven, leider haut die SPD derzeit lieber einen groben Keil auf einen groben Klotz. Das Problem der SPD ist die SPD. Ein Teil der Partei reibt sich auf in der Verantwortung für den Staat, ein anderer Teil ist verliebt in die Oppositionsrolle. Die einen wollen regieren, weil sie damit etwas zum Besseren verändern können, die anderen sehen im Regieren einen faulen Kompromiss mit den Konservativen, der das Profil der SPD dauerhaft beschädigt. Die SPD steckt in einem klassischen Dilemma, bei dem jede Entscheidung zumindest für einen Teil ihrer Anhänger die falsche ist. Mutig voranzuschreiten, das schafft die SPD so nicht. Umso mehr überrascht der als Befreiungsschlag gedachte Angriff auf den Verfassungsschutzpräsidenten, mit dem SPD-Chefin Andrea Nahles vor allem das Selbstwertgefühl ihrer eigenen Partei stärken will. Nachdem sie im Fall Maaßen lange gezögert hat, ließ Nahles nun doch eine politische Bombe zünden. Mit der Forderung, der angeschlagene Präsident der Behörde müsse wegen Zweifeln an seiner Eignung aus dem Amt entfernt werden, stürzt die Partei die große Koalition in eine schwere Krise. Obwohl der eigentliche Krisenherd im Innenministerium sitzt und Horst Seehofer heißt, ist es die SPD, die die Koalition an den Rand des Abgrunds bringt. Obwohl der CSU-Chef geradezu manisch nicht nur ständig Sand ins Koalitionsgetriebe streut und sich aus reiner Machttaktik vor den unhaltbaren Verfassungsschutz-Präsidenten stellt, sorgt nun die SPD in den Augen der Union für Ärger. Nun schwebt ein SPD-Junktim im Raum: Entweder „er“ oder „wir“. Will heißen: Geht Maaßen nicht, wäre dies der Bruch der Koalition. Anders kann man die Einlassungen der SPD nicht verstehen. Parteichefin Nahles ist zur Überraschung vieler ein großes Risiko eingegangen. Ihr Säbelrasseln muss nun Wirkung zeigen, sonst ist sie gescheitert. Die Groko-Gegner in der Partei würden sich bestätigt sehen. Die personelle wie programmatische „Erneuerung“ der SPD hätte zu nichts geführt außer zu einem großen Zerwürfnis der Genossen. Obwohl die Personalie Maaßen im Grunde zu klein ist für einen Koalitionsbruch, könnte es auf eben diesen hinauslaufen. Allerdings wäre es für die politische Konkurrenz der SPD ein Leichtes, die Schuld an möglichen Neuwahlen auf die Sozialdemokraten zu schieben. Ein klassischer Schuss ins eigene Knie. Man könnte auch sagen: Ein hoher Preis für Haltung.

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