Politik Leitartikel: Zum Fürchten

Seit sieben Monaten in Österreich an der Macht beteiligt, setzt die FPÖ ihre

antisemitische und ausländerfeindliche Politik raffiniert in die Tat um.

Die Kanzlerpartei ÖVP lässt es tatenlos geschehen. Ideen und Vorschläge von

FPÖ-Ministern zielen meist auf

Muslime, Juden und Flüchtlinge.

Die FPÖ werde in der Regierung schon noch zahm, hofften die konservative ÖVP und ihr Jungkanzler Sebastian Kurz. Es blieb ein frommer Wunsch: Eine Partei ändert ihre Identität nicht innerhalb weniger Monate. Schon gar nicht die FPÖ, einst von Altnazis und SS-Kriegsverbrechern gegründet, sieht angesichts ihrer Wahlerfolge und der europaweiten Rechtspopulismuswelle keinen Grund dazu. Ideen und Vorschläge von FPÖ-Ministern betreffen selten die Allgemeinheit, sondern zielen meist auf die im Land lebenden Ausländer, Muslime und Juden sowie Flüchtlinge. Zur Kaschierung werden oft sachliche Argumente vorgeschützt, die jedoch einer Prüfung in der Regel nicht standhalten. So wollte die FPÖ Niederösterreich für dieses Bundesland eine drastische Einschränkung des Schächtens, des rituellen Schlachtens nach jüdischer und islamischer Religion. Das sei Tierquälerei, argumentiert FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl, zuständig für Asylfragen und Tierschutz. Doch Schächten ohne Bewilligung ist längst verboten, Ausnahmen gewährt das Tierschutzgesetz nur mit strengen Auflagen. Aber um Tierschutz geht es der FPÖ und Waldhäusl nicht: Er wollte eine Liste der Verkäufer und Käufer von Schächtfleisch mit Namen und Adresse anlegen. Wozu diese Auflistung dienen sollte, wusste Waldhäusl nicht schlüssig zu erklären. Die Pläne sorgten in jüdischen Gemeinden in Österreich und Deutschland, aber auch unter den Muslimen der Alpenrepublik, für Empörung gesorgt. Inzwischen sind sie mit den neuen Vorschriften fürs Schächten, die sowohl den Tierschutz als auch die Religionsfreiheit berücksichtigen, vom Tisch. Es wird keine Registrierung von Käufern koscheren Fleisches geben. Doch das ficht weder die FPÖ noch ,Landesrat Waldhäusl an. Hauptsache, ihre Botschaft ist bei Antisemiten und Islamhassern in der FPÖ-Wählerschaft angekommen: Wir haben euch nicht vergessen. Der Kanzlerpartei blieb die beschämende Aufgabe, 70 Jahre nach Ende der NS-Ära den rund 10.000 Juden in Österreich versichern zu müssen, dass ihre „Freiheiten und Grundrechte“ nicht angetastet würden. Für die rund eine halbe Million Muslime in Österreich scheint dies nicht zu gelten. Sie werden mit keinem Wort erwähnt. Ein weiteres Beispiel: Verkehrsminister Norbert Hofer, unterlegener Ex-Präsidentschaftskandidat der FPÖ, verfügte die Einstellung von Fahrschulprüfungen in türkischer Sprache. Die Maßnahme solle Steuergeld sparen und für junge Türken ein „starker Anreiz“ sein, Deutsch zu lernen, damit sie sich schneller integrieren. Sagt Hofer. Als ob Integration der FPÖ je ein Anliegen war. Vielmehr geht es um populistisches Mobbing gegen junge Türken, um ihnen den beruflichen Aufstieg und damit die Integration zu erschweren. Denn zugleich kürzt die Regierung drastisch die Förderung für Deutschkurse und Deutschklassen in Schulen. Das gleiche Ziel verfolgt die FPÖ mit der Kürzung der Kinderbeihilfe für ausländische Arbeitnehmer, die laut EU-Kommission gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Kanzler Sebastian Kurz ist mit dem Anspruch angetreten, Österreich zu modernisieren. Die Asyl- und Migrationspolitik schließt er davon offenbar aus. Vielmehr folgt er auf EU-Ebene dem ungarischen Grenzblockierer Viktor Orbán und überlässt innenpolitisch die Asyl- und Migrationspolitik der FPÖ. Dieses „Österreich neu“, wie Kurz es bezeichnet, ist eher gestrig und zum Fürchten.

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