Meinung Linkspartei: Aufbruch sieht anders aus

Brotbüchsen mit der Aufschrift "Klassenmampf" liegen auf dem Bundesparteitag der Partei Die Linke in Halle/Saale auf einem Tisch
Brotbüchsen mit der Aufschrift »Klassenmampf« liegen auf dem Bundesparteitag der Partei Die Linke in Halle/Saale auf einem Tisch mit Werbeartikeln.

Wie ein Neustart wirkte der Parteitag der Linken nicht. Es wurden Diskussionen geführt, die den Dauerstreit der verfeindeten Lager festigen.

Die prekäre politische Situation wird für die Linkspartei zur existenziellen Bedrohung. Keine andere Partei ist so ausgezehrt wie sie. Sie rutschte bei der jüngsten Bundestagswahl unter die Fünf-Prozent-Hürde und konnte nur durch drei gewonnene Direktmandate mühsam ein komplettes Scheitern verhindern. Sie musste die kräftezehrende Abspaltung des Sahra-Wagenknecht-Lagers verkraften – und den damit verbundenen Verlust des Fraktionsstatus im Bundestag – und erlebte ein Desaster bei der Europawahl.

Sie erlitt katastrophale Ergebnisse in zwei ostdeutschen Landtagswahlen und musste nach dem Rücktritt des überforderten Führungsduos aus Janine Wissler und Martin Schirdewan auf die Suche nach Nachfolgern mit hoher Frustrationstoleranz gehen. „Das linke Haus brennt“, heißt es in einem Konzeptpapier der neuen Parteispitze. Lässt es sich noch löschen? Der Parteitag in Halle vermittelte jedenfalls keine Aufbruchstimmung.

Wagenknecht segelt von Erfolg zu Erfolg

Besonders bitter für die Rest-Linke ist der Umstand, dass die Wagenknecht-Truppe mit einem Patchwork-Programm aus rechten und linken Parolen von Erfolg zu Erfolg segelt. Forderungen nach mehr Abschiebungen und schärferen Sanktionen beim Bürgergeld sind mit der Linkspartei nicht zu machen. Sie stellt wie jeher die Eigentumsverhältnisse infrage und will den Kapitalismus überwinden.

Diese aus der Zeit gefallene Programmatik erschwert es vor allem den pragmatischen Linken, die mitregieren und Verantwortung übernehmen wollen, überhaupt jemals einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Ein Eklat drohte

Das alte Problem der Linken ist trotz aller Tiefschläge und Abstürze indes nicht kleiner geworden: Den Ton gibt das Lager derer an, denen der Kampf um eine neue Weltordnung wichtiger ist als die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort.

So drohte auf dem Parteitag in Halle ein Eklat, weil es im Vorfeld nicht gelungen war, linksaktivistische Gruppen und Hamas-Sympathisanten in ihre Grenzen zu weisen. Eine Woche zuvor war ein Parteitag der Berliner Linken im Streit gesprengt worden, weil die Mehrheit eine Resolution gegen linken Antisemitismus verwässert hatte. Ähnliches drohte nun für den Bundesparteitag, weil pro-palästinensische Stimmen forderten, das Vorgehen Israels als Genozid einzustufen. Der Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel wurde in einem Antrag nicht verurteilt, ebenso fand eine Anerkennung des Existenzrechts Israels keine Erwähnung.

Einsatz der Linken-Granden

Diese Festlegungen konnte das neue Führungsduo nach langen Verhandlungen hinter den Kulissen mit einem Konsensantrag verhindern. Doch es bleibt ein bitterer Nachgeschmack, weil die Linke wieder einmal bewiesen hat, welche selbstzerstörerischen Kräfte in ihren Reihen wirken.

Da wirkt es nachgerade rührend, dass die Linken-Granden Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow mit bewährten „Brot-und-Butter-Themen“ aus dem Reservoir der klassischen Sozialpolitik im Wahlkampf von Tür zu Tür ziehen wollen. Mit dieser Art Wähleransprache dürfte die Partei noch eine letzte Chance haben. Und es wäre blanke Ironie der Geschichte, wenn die Pragmatiker drei Direktmandate erringen würden, was den Fundamentalisten ermöglichen würde, in den Bundestag einzuziehen.

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