Meinung Macron ist krachend gescheitert

Emmanuel Macron (hier bei der Stimmabgabe am 30. Juni) hat bei der ersten Runde der Parlamentswahlen ein Debakel erlebt.
Emmanuel Macron (hier bei der Stimmabgabe am 30. Juni) hat bei der ersten Runde der Parlamentswahlen ein Debakel erlebt.

Ohne Not ging Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit der Auflösung der Nationalversammlung das Risiko einer verheerenden Niederlage ein. Die politischen Konsequenzen seiner Fehlkalkulation sind nun dramatisch.

Ein Berater von Emmanuel Macron erklärte einmal zu Beginn von dessen Amtszeit 2017, es sei schwierig für ihn, seine „komplexen Gedankengänge“ für alle verständlich auszudrücken. Für den Ausspruch erntete er allgemeine Verblüffung und Spott. Schon damals offenbarte sich so eine erschütternde Abgehobenheit Macrons.

Ohne Not ging Macron das Risiko einer Niederlage ein, indem er nach der EU-Wahl vor drei Wochen die Nationalversammlung auflöste. Es folgten ein fiebriger Turbo-Wahlkampf – und nun die Ergebnisse der ersten Runde mit einem historischen Erfolg für den Rassemblement National (RN). Das Land ist tief gespalten: Die einen haben regelrecht Angst, die anderen jubilieren, weil sie in Marine Le Pen eine willkommene Alternative sehen. „Die haben wir noch nicht ausprobiert“, war oft zu hören. So, als könnte es nicht schlimmer kommen; doch das kann es.

Sein Instinkt hat Macron getäuscht

Bis zuletzt, das legten Macrons Äußerungen im Wahlkampf nahe, hatte er in einer völligen Verkennung der Lage geglaubt, die Stärkung seiner Regierungsmehrheit sei möglich und ein Triumph der Rechtsextremen ließe sich abwenden. Sein Instinkt hat ihn bitter getäuscht. Die Hoffnung, dass die Menschen ihn innerhalb weniger Wochen wieder mögen oder sozusagen „zur Vernunft“ kommen könnten, bewahrheitete sich nicht.

Die Folgen sind dramatisch. Das Land geht im wohl noch am wenigsten schlechten Fall einer Blockade-Situation entgegen, nämlich wenn keine Partei bei der zweiten Wahlrunde am Sonntag eine absolute Mehrheit erzielt; und im schlimmsten Fall dem gefährlichen Experiment einer Zusammenarbeit zwischen dem pro-europäischen, liberalen Präsidenten und den nationalistischen, EU-skeptischen, Putin-nahen Rechtsextremen.

Wirtschaftspolitische Forderungen des RN sind unglaubwürdig

Die Vorschläge des RN diskriminieren nicht nur Ausländer und Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft: Erst im Januar brachte Le Pen einen Gesetzesvorschlag ein, der diesen Jobs im öffentlichen Dienst verweigern soll – ein Tabubruch. Auch die wirtschaftlichen Forderungen sind unglaubwürdig und wenig durchdacht. Parteichef Jordan Bardella musste deshalb mehrmals zurückrudern. Doch diese Widersprüche hielten seine Anhänger nicht davon ab, eine Partei zu wählen, die Hass ins Herzen ihres Programms stellt – auf Ausländer, die angeblichen Eliten und ganz konkret auf Macron.

Einst ist der mit dem Versprechen angetreten, eine Politik zu machen, die den Extremen die Grundlage entzieht. Bei diesem Ziel ist er krachend gescheitert. Genau die Ränder machte er stark, indem er sich in der Mitte platzierte und sie zugleich aushöhlte. Dabei hat Macron nach sieben Jahren im Amt durchaus etwas vorzuweisen: Er zeigte sich präsent auf der internationalen Bühne, senkte die Arbeitslosigkeit und beschloss während der Corona-Pandemie und der Energiekrise umfassende Staatshilfen – die ihm heute niemand dankt. Auch seine Liberalisierung des Arbeitsmarktes und die Rentenreform waren zwar unbeliebt, aber notwendig.

Macron wird seine Arroganz vorgeworfen

Doch unabhängig von Sachentscheidungen werden Frankreichs Präsidenten immer auch am Auftreten gemessen. Bereits Macrons Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande waren regelrecht verhasst: Der eine galt als ordinär, der andere als zu zögerlich. Macron wird nun zu Recht seine Arroganz vorgeworfen, diese Überzeugung, alles selbst am besten zu können und zu wissen. Jüngstes Beispiel war seine überhastete Entscheidung für Neuwahlen, die Frankreich auf unabsehbare Zeit destabilisiert und Macrons Rolle in Europa schwächt.

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