Meinung Mannheimer Messerstecher: Schonungslose Debatte statt plumper Populismus
Ein 25-jähriger Afghane sticht wie von Sinnen auf Menschen ein. Am helllichten Tag. Mit einem Messer. Mitten in Mannheim. Dort, wo Familien einkaufen, das Leben pulsiert. Er nimmt lebensbedrohliche Verletzungen nicht nur in Kauf. Er scheint sie zu beabsichtigen. So sieht es auf einem im Netz verbreiteten Video aus. Wer es sieht, vergisst es nicht. Wer es nicht sehen muss, sollte es sich ersparen.
Die rechtliche Bewertung obliegt Gerichten. Vieles ist unklar. Manches dagegen sehr klar: Zum wiederholten Mal hat ein Mensch, der in Deutschland Schutz gefunden hat, eine schwere Straftat begangen. In diesem Fall womöglich islamistisch motiviert. Auch liberale Mitglieder der Gesellschaft konstatieren: Wir haben ein Problem.
Es reicht nicht, zu behaupten, es handele sich um einen Einzelfall. Wo immer es Muster gibt, gebietet es sich, Konsequenzen zu diskutieren. Wer das nicht tut, leistet Rechtspopulisten Vorschub. Ein kühler Kopf hilft jedoch in heißen Diskussionen. Das sehen manche Netzdiskutanten erwartungsgemäß anders. Ihr Fazit: Alle Flüchtlinge raus aus Deutschland. Alles potenzielle Attentäter.
Schnelle Lösungen? So einfach ist es nicht
Auch beim Pfalztreffen der AfD in Kirchheimbolanden wissen am Samstag viele, „wie der Frieden in Deutschland wieder hergestellt werden kann“: mit der Wahl von vermeintlichen Alternativen und mit der sogenannten Remigration, der auch zwangsweisen Rückführung von Migranten.
Während die Veranstaltung läuft, kämpft der Mannheimer Polizist, der den Attentäter stellen wollte, noch um sein Leben. Das Mitgefühl mit ihm muss schnell weichen für die Instrumentalisierung seines Schicksals. Bei den Reden der Politiker tun sich an diesem Samstag im Donnersbergkreis Abgründe auf.
Menschen sehnen sich nach Eindeutigkeit. Nach schnellen Lösungen. Nur: So einfach ist es nicht. Der 25-jährige mutmaßliche Messerstecher vom Marktplatz ist 2014 eingereist. Er lebt mit Frau und Kindern in Heppenheim. Strafrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten. Wie hätte überhaupt jemand antizipieren können, dass der Afghane eine solche Tat begehen würde? Was ist der konkrete Vorschlag, so etwas zu verhindern – fernab der Parole „Alle Flüchtlinge raus“?
Niemand hat das „irgendwie verdient“
Der Staat hat die Aufgabe, seine Bürger zu schützen. Niemand hat Attacken auf sein Leben „irgendwie verdient“ oder ist „selbst schuld“ – kein Rechtspopulist, der für seine Überzeugungen werben will, kein Polizist, der sein Leben für das anderer riskiert. Einfach niemand!
Dumpfe Gestalten haben schon kurz nach der Tat nichts Besseres zu tun, als dem Beamten erst Dilettantismus vorzuwerfen, um ihn anschließend bereits am Freitag zweimal für tot zu erklären. Die Korrektur zieht kleine Kreise im Vergleich zu den voreiligen Behauptungen. Das Internet ist wahrlich nicht immer ein guter Ort für Menschenfreunde.
Die politischen Lehren obliegen Demokraten
Nach Taten wie in Mannheim gibt es die üblichen Reflexe: Politiker kondolieren, bekommen Heuchelei vorgeworfen. Populisten versuchen Kapital aus dem Leid zu schlagen, ernten tausendfachen Applaus. Was auf der Strecke bleibt, ist echtes Innehalten, Mitfühlen, sich zurücknehmen, klug zu diskutieren. Dabei sind wir doch als Gesellschaft besser und stärker als der Hass der Fanatiker. Oder?
Das Attentat in Mannheim mit einem Messer am helllichten Tag muss Konsequenzen haben – weil es einem Muster folgt. Die politischen Lehren obliegen aber Demokraten. Und nicht dumpfen Populisten.