Leitartikel Moldau: Wahlen mit Beigeschmack

Moldaus Präsidentin Maia Sandu.
Moldaus Präsidentin Maia Sandu.

In der früheren Sowjetrepublik Moldau liegt die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu im ersten Wahlgang zwar vorn. Entschieden ist aber noch nichts.

Das sei eine vernichtende Niederlage. Mit dieser Einschätzung wandte sich Ilan Shor kurz nach Mitternacht von Sonntag auf Montag per Telegram-Video persönlich an Maia Sandu, die amtierende Präsidentin Moldaus. Die Leute seien ihrer so überdrüssig, dass sie Sandu trotz Blockaden, Festnahmen und Wahlbetrug krachend hinausgeworfen hätten, ließ der ins Ausland geflüchtete Moskau-treue Oligarch weiter wissen.

Aber je näher der Morgen rückte, desto positiver wurden die Nachrichten für das prowestliche Lager um Maia Sandu. Nach Ergebnissen vom Montag setzte es sich bei dem EU-Referendum hauchdünn mit 50,46 Prozent durch. Bei der Präsidentschaftswahl kam Sandu zwar auf mehr als 42 Prozent. Doch war der Kandidat der russlandfreundlichen Sozialisten, Alexandr Stoianoglo, mit 26 Prozent erfolgreicher als erwartet.

Proeuropäischer Endspurt

Der phänomenale proeuropäische Endspurt verschlug Shor bis auf weiteres die Sprache. Dafür empörte sich der russische Senator Andrej Klischas über das „moldauische Nachtwunder“, für das es keine Erklärung gebe.

Allerdings war schon vorher bekannt, dass die Auslandsmoldauer in Westeuropa und Nordamerika, wo die Wahllokale später schlossen, in ihrer großen Mehrheit für Sandu und die EU stimmen würden. Und die eigentliche Überraschung bleibt, dass deren Erfolge so knapp gerieten. Die Meinungsumfragen, die die Auslandsmoldauer gar nicht berücksichtigten, hatten glatte Mehrheiten für den EU-Beitritt vorausgesagt.

Sandu: Beweise für Stimmenkauf

Sandu selbst machte in der Wahlnacht für die Ergebnisse kriminelle Gruppen verantwortlich, die mit feindseligen ausländischen Kräften zusammenarbeiteten. „Wir haben eindeutige Beweise, dass die kriminellen Banden 300.000 Stimmen kaufen wollten.“ Damit meint sie das Gefolge Ilan Shors, den in seiner Heimat wegen Teilnahme an einem Milliarden-Dollar-Diebstahl aus dem moldauischen Bankensystem eine Haftstrafe von 15 Jahren erwartet. Nach Angaben der moldauischen Polizei hat er über Telegramkanäle ein ganzes Bestechungsnetz für diese Wahlen organisiert.

Shors Netzwerk soll allein im September mindestens 15 Millionen Dollar nach Moldau gepumpt haben, um insgesamt 130.000 Wähler zu kaufen. Eine Journalistin der Zeitung Ziarul de Garda soll sich von Shors Anhang als Agitatorin angeworben haben lassen und dafür über die russische Promswjasbank Geld bekommen haben. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der überraschend zahlreichen Stimmen für den Ex-Generalstaatsanwalt Stoianoglo von gekauften Wählern kamen.

Und der politische Neueinsteiger hat trotz seines Rückstandes von 16 Prozentpunkten durchaus Chancen, Sandu in der Stichwahl am 3. November zu schlagen. Um das verhindern, muss Sandus Regierung versuchen, das Propaganda- und Schmier-Netzwerk Shors zu neutralisieren, was bisher kaum gelungen ist. Außerdem muss sie die Anhängerschaft der ausgeschiedenen Mitbewerber zumindest zum Teil auf ihre Seite ziehen. Die anderen Kandidaten flirten wie auch Stoianoglo gleichzeitig mit der EU und mit Wladimir Putins „traditionellen Werten“.

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