Politik Nach der Wahl ist vor der Wahl

Zwischen diesen sechs Kandidatenpaaren hatten die SPD-Mitglieder die Wahl.
Zwischen diesen sechs Kandidatenpaaren hatten die SPD-Mitglieder die Wahl. Foto: dpa

Am Freitagabend, 24 Uhr, endete die Frist, in der die 425.630 SPD-Mitglieder über ihre neue Führungsspitze abstimmen durften. Am Samstag werden in der Berliner Parteizentrale die Stimmen ausgezählt, die online oder per Brief eingegangen sind. Am Abend will Interims-Chefin Malu Dreyer das Ergebnis verkünden.

Sechs Kandidatenduos waren am Ende noch im Rennen, ein eindeutiges Sieger-Team wird es vermutlich nicht geben. Keine Konstellation hat die Favoritenrolle übernommen, verlässliche Prognosen über den Wahlausgang gibt es nicht.

Fünf Monate ist es jetzt her, dass Andrea Nahles als SPD-Chefin zurücktrat, in wenigen Tagen gibt sie auch ihr Bundestagsmandat ab. Zermürbt von Missgunst und schlechten Wahlergebnissen hatte die Nachfolgerin von Martin Schulz aufgegeben. Damals beschloss der SPD-Vorstand, den nächsten Vorsitz direkt von den Mitgliedern wählen zu lassen.

Wobei es korrekt heißen muss: Die Mitglieder können eine Empfehlung abgeben, gewählt wird dann unter Berücksichtigung dieses Votums auf dem Parteitag Anfang Dezember. Die Genossen sind überwiegend stolz auf dieses Maß an Transparenz bei der Vorsitzendenwahl, Generalsekretär Lars Klingbeil sprach zu Beginn von einer „Hochphase der Demokratie“.

Doch nur sehr zögerlich gingen die ersten Bewerbungen ein. Die Kandidaten brauchten die Unterstützung von fünf Kreisverbänden, einem Bezirk oder einem Landesverband. Erlaubt waren Duos oder Einzelbewerber. Erst sehr spät gesellte sich der prominenteste SPD-Vertreter zum Bewerberfeld: Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz. Insgesamt 17 Bewerber – acht Frauen und neun Männer – traten am Anfang als Kandidaten an.

Schon recht früh zog sich der einzige Einzelbewerber, der bayerische SPD-Politiker Karl-Heinz Brunner, aus dem Wettstreit zurück. Im Laufe der Vorstellungstour, die insgesamt 23 Regionalkonferenzen in allen Bundesländern umfasste, verzichteten weitere Bewerber auf ihre Kandidatur: Alexander Ahrens und Simone Lange sowie Hilde Mattheis und Dierk Hirschel. Zur Wahl standen am Ende die sechs Doppelspitzen-Teams von Scholz mit der SPD-Politikerin Klara Geywitz aus Brandenburg, Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans mit der Digitalexpertin Saskia Esken, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius mit Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping, EU-Staatsminister Michael Roth mit Ex-NRW-Familienministerin Christina Kampmann, SPD-Vize Ralf Stegner mit der Vorsitzenden der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, sowie der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mit der Umweltpolitikerin Nina Scheer.

Das Quorum der Wahlbeteiligung von 20 Prozent, mit dem die Abstimmung gültig wird, wurde schon vor einer Woche erreicht. Sorge bereitet den Verantwortlichen allerdings, dass möglicherweise weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten an der Wahl teilnehmen. Wäre das so, hätte das Instrument der Mitgliederbefragung deutlich an Gewicht verloren, man könne das Experiment dann auch als gescheitert bezeichnen. Zur Erinnerung: Beim Mitgliedervotum im Frühjahr 2018 konnten die Genossen über den Eintritt in die große Koalition abstimmen. 78 Prozent der Mitglieder nahmen daran teil.

Dieses Mal dürften es nicht so viele sein. Ein Grund könnte sein, dass es bei der Vorsitzendenwahl nicht um eine Ja-Nein-Entscheidung geht, sondern um das Votum aus einer Auswahl von sechs Teams.

Erhält in der Abstimmung kein Bewerberpaar die absolute Mehrheit, findet im November eine Stichwahl zwischen dem Erst- und Zweitplatzierten statt. Wer hier die meisten Stimmen erhält, wird vom Parteivorstand für den Parteivorsitz vorgeschlagen. Der Parteitag soll das Votum dann bestätigen. Für Generalsekretär Klingbeil steht der Sieger dieses Wettbewerbs schon fest: „Ich bin fest davon überzeugt, das wird unserer Partei Schwung geben.“

250 Genossen aus ganz Deutschland kommen heute ab 5.30 Uhr in der Parteizentrale zusammen, um die Stimmen auszuzählen. Nach ersten Schätzungen aus dem Willy-Brandt-Haus kostet die Suche nach dem Parteivorsitz rund 1,9 Millionen Euro, inklusive Stichwahl. Das seien ähnliche Kosten wie beim Mitgliedervotum 2018, so eine Sprecherin der Partei. Nicht eingerechnet sind die Kosten für die Regionalkonferenzen, die von den Landesverbänden getragen werden. Generalsekretär Klingbeil hatte die Genossen aufgefordert, diese „neue Form der Beteiligung“ mit einer Spende zu unterstützen.

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