Meinung Nach Solingen harren viele Fragen einer Antwort

Blumen und Kerzen zum Gedenken an die Opfer des Anschlags.
Blumen und Kerzen zum Gedenken an die Opfer des Anschlags.

Nach der tödlichen Messerattacke in Solingen ist eine Debatte über die notwendigen Konsequenzen entbrannt. Manche Vorschläge könnten eher neuen Verdruss produzieren.

Der mutmaßliche Täter ist gefasst. Geklärt ist offensichtlich auch, was ihn zu seiner Tat motiviert hat. Ansonsten aber wirft die Terrorattacke von Solingen eine Menge Fragen auf – an die Politik, an die Sicherheitsbehörden, auch an uns als Gesellschaft. All diese Fragen münden in einen Punkt: Was kann, was muss getan werden, um künftig solche Verbrechen an völlig Unbeteiligten, denen ein grausamer Zufall ihre Gesundheit, ihr Leben kostete, zu verhindern? Wie stets nach solchen schockierenden Vorfällen gibt es auch jetzt jede Menge Vorschläge und Forderungen.

So kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Besuch am Tatort eine rasche Verschärfung des Waffenrechts an. Entsprechende Pläne hat seine Parteifreundin, Innenministerin Nancy Faeser, bereits in der Schublade. Bislang blockt hier vor allem die FDP. Aber abgesehen vom politischen Ringen stellen sich zwei Fragen: Lässt sich ein Verbot des Mitführens bestimmter Messer in der Öffentlichkeit wirksam kontrollieren? Und: Lässt sich ein islamistischer Terrorist – oder ein Psychopath – durch solche Verbote von seinem Vorhaben abhalten? Wer nicht in den Verdacht geraten will, gesetzgeberischen Aktionismus zu betreiben, muss hierauf ehrliche Antworten geben.

Beim Thema Abschiebungen besteht dringender Handlungsbedarf

Die bedarf es auch mit Blick darauf, dass offenbar bereits einmal versucht wurde, den mutmaßlichen Täter abzuschieben – was misslang. Warum die zuständigen Behörden es nach den derzeit vorliegenden Informationen bei einem Versuch beließen, muss aufgeklärt werden. Über den Einzelfall hinaus muss jedoch hinterfragt werden, warum nur ein Bruchteil derer, die abgeschoben oder rückgeführt werden sollen, Deutschland auch tatsächlich verlassen müssen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, wobei offensichtlich nicht fehlende Gesetze das Problem sind, sondern deren Umsetzung in der Praxis immer wieder auf Schwierigkeiten stößt. Gelingt hier keine spürbare Verbesserung der Situation, wird sich der für die Akzeptanz unseres staatlichen Systems fatale Eindruck verstärken, dass, wer über entsprechende Raffinesse oder kriminelle Energie verfügt, dem Staat auf der Nase herumtanzen kann.

Eine bizarre Note in die ohnehin kakophonisch anmutende Diskussion brachte Friedrich Merz mit seiner Forderung, keine Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan mehr aufzunehmen. Die Antwort, wie sich ein solches Vorgehen mit dem Grundgesetz vereinbaren lassen soll, blieb der CDU-Vorsitzende wohlweislich schuldig.

Die Auswirkungen des Attentats dürften sich am Sonntag zeigen

Forderungen wie die von Merz sind nicht nur verfassungsrechtlich und unter humanitären Gesichtspunkten fragwürdig. Sie sind auch deshalb hochriskant, weil Politiker mit ihnen bei den Bürgern Erwartungen wecken, von denen sie wissen sollten, dass sie sie nicht erfüllen können. Dadurch wird, statt zur Lösung eines drängenden Problemes beizutragen, nur Enttäuschung und Politikverdruss produziert.

Welche konkreten politischen Auswirkungen die Attacke von Solingen hat, dürfte sich schon am Sonntag bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zeigen. Eines ist sicher: Das Gefühl der Verunsicherung und der Eindruck, dass der Staat in Teilen die Kontrolle verloren hat, werden durch solche Taten verstärkt.

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