Politik Nahverkehr gratis: Skepsis überwiegt

Hauptverkehrszeit: Kostenlose Tickets allein würden nichts an überfüllten Zügen ändern.
Hauptverkehrszeit: Kostenlose Tickets allein würden nichts an überfüllten Zügen ändern.

«Berlin/München.» Der Vorstoß der Bundesregierung, mit kostenlosen Bussen und Bahnen dafür zu sorgen, dass die Luft in deutschen Städten besser wird, stößt auf Vorbehalte. Mehrere Verkehrsverbünde und Kommunen verwiesen gestern darauf, dass die Finanzierung ungeklärt sei; sie verlangten stattdessen einen stärkeren Ausbau des Nahverkehrsangebots. Regierungssprecher Steffen Seibert machte deutlich, es gehe um „zeitweilige“ Gratis-Angebote in Kommunen, die unterstützt werden könnten. Er sagte weiter, es solle alles dafür getan werden, die Luftqualität zu verbessern und Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. Die Pläne waren am Dienstag bekannt geworden; sie finden sich in einem Brief der Bundesregierung an die Europäischen Kommission und sollen dazu beitragen, die von der EU wegen schlechter Luftwerte in Deutschland angedrohten Strafzahlungen abzuwenden. Der Deutsche Städtetag nannte die Überlegungen der Regierung angesichts der Grenzwert-Überschreitungen bei Luftschadstoffen „etwas hilflos“. Kostenloser Nahverkehr sei „wahrscheinlich nicht zu bezahlen“, sagte Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Die Regierung sei schon ein Stück zurückgerudert, wenn nun von Modellen für temporären Gratis-ÖPNV die Rede sei. Die Bundesregierung hatte der EU-Kommission in dem Brief noch andere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität vorgestellt. So sollen „bei Bedarf“ Städte unterstützt werden, wirksame Verkehrsregeln auf den Weg zu bringen. Für Schwerlaster solle es „Niedrig-Emissionszonen“ geben. Seibert sagte, es sei Aufgabe der künftigen Regierung, die Vorschläge so schnell wie möglich umzusetzen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen – darunter können auch Gratistickets sein – soll in fünf „Modellstädten“ getestet werden. Darunter ist Mannheim. Vertreter von Unternehmen, die sich im Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) zusammengeschlossen haben, hatten am Dienstag die Idee eines kostenlosen Nahverkehrs grundsätzlich begrüßt, zugleich aber auf die damit verbundenen Millionenkosten hingewiesen. Der Autofahrerclub ADAC betonte gestern, leichter umsetzbar als ein kostenloser Nahverkehr wären einfache, günstige Tarife und zuverlässige Takte, um Pendlern eine interessante Alternative zum Auto zu bieten. Auch der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Alexander Kirchner, kritisierte, Nahverkehr zum Nulltarif anzubieten und darauf zu hoffen, dass so die Luft sauberer werde, sei ein Irrweg. Ausfälle, Verspätungen und zu Stoßzeiten übervolle Züge seien heute die Regel: „Das ermuntert niemanden, das Auto stehen zu lassen.“

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